Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Sois belle et tais-toi von Les Insoumuses

Der Interviewfilm Sois belle et tais-toi (Sei schön und sei still) des Videokollektivs Les Insoumuses um Carole Roussopoulos, Delphine Seyrig und Ioana Wieder erscheint 1981, im selben Jahr wie Juliet Bertos Regiedebüt Neige, allerdings wurden die Gespräche schon einige Zeit zuvor aufgenommen, nämlich 1976. Das Gespräch zwischen Berto und dem Kollektiv fällt in eine Phase, in der Berto fast ununterbrochen arbeitet: bereits zehn Jahre agiert sie als Darstellerin vor der Kamera, dahinter stehen fast ausschließlich männliche Regisseure – eine Ausnahme bildet die Rolle in Nadine Trintignants Défense de savoir.

In Sois belle et tais-toi ergibt sich in der Aneinanderreihung von Talking-Heads ein Mosaik aus Erfahrungsberichten und Bestandsaufnahmen, für das diese Videoarbeit zugleich zur Zeugin und zum Sprachrohr der Mitwirkenden wird. Als eine von vierundzwanzig Schauspielerinnen spricht Berto über ihre Berufswahl und über das Zusammenleben mit ihrer Schwester und deren Kind. In zwei kurzen Ausschnitten erfahren wir von ihr, dass das Kino ihr einen Grund zum Leben gab, indem es ihre Wünsche vom freien Sich-in-der-Welt-Bewegen erfüllte. Denn als Frau blieb es ihr verwehrt, wie – oder gar als – ein Matrose oder Landstreicher einfach der eigenen Abenteuerlust zu folgen. Während Jane Fonda von der Kapitalisierung ihres Körpers im Hollywoodsystem spricht, erzählt Berto hingegen von ihrer Lebensweise und ihren -entscheidungen. Was sie in Sois belle et tais-toi nicht erwähnt, sich aber in Hinblick auf ihr weiteres Filmschaffen und auch auf berufliche Entscheidungen von Regisseurinnen in den 1960er/70er/80er Jahren im Allgemeinen schlüssig erweist, formulierte sie ein wenig später in einem Interview mit Ciné-Bulles: »Je n’ai jamais été une actrice qui voulait faire des films. J’étais un peu une actrice, pour apprendre. C’était mon moyen de vivre, d’apprendre, sur le tas, le métier que je voulais faire.« Schauspielen stellte für sie eine Schule dar, um das Filmemachen zu lernen. Damals ein üblicher Weg für Filmemacherinnen, da sie im Department der männlichen Genies meist ausgegrenzt wurden und sich erst durch ihre Sichtbarkeit und steigenden Einfluss als anerkannte Darstellerinnen einen Regieplatz erkämpfen konnten. Bertos feministisches Engagement trifft sich mit den Zielen von Les Insoumuses, nicht mehr nur als Musen, sondern als Künstlerinnen ernst genommen zu werden, sich auszutauschen, feministische Geschichten zu kreieren und gegen Sexismus aufzutreten.

Die Insoumuses Carole Roussopoulos, Delphine Seyrig und Ioana Wieder selbst werden in Sois belle et tais-toi nicht sicht-, nur hörbar. Berto lehnt in beiden Ausschnitten an einer Wand, sitzt auf einem Bett oder einer Couch, hält eine Zigarette in der Hand, trägt die Haare offen. Einmal zoomt die Kamera hinaus, nur um sich ihr kurz darauf wieder zu nähern, diesmal noch mehr als davor. Fast wirkt es, als wären wir nun zu nah dran, als sollten die Bilder keine von Bertos Regungen verpassen, ihre Aussagen sich nicht im Raum verlieren. Dass manche Leute das Zusammenleben mit ihrer Schwester und deren Kind kritisieren, berichtet sie im Moment der größten visuellen Nähe. Dabei gäbe es doch nichts selbstverständlicheres, als mit der Schwester zu wohnen. Indirekt spricht sie sich mit ihren Worten dagegen aus, das Leben in einer heterosexuellen Partnerschaft als Norm zu betrachten. Sie wirkt überzeugt und bereit, altbekannte Argumente jederzeit zu kontern. Doch das ist hier nicht nötig, sie spricht weiter. Männer kämen oft vorbei, um ihre Lebens- und Wohnsituation auszunützen. Hier erfolgt ein plötzlicher Schnitt.