Text: Max Grenz
Dürfen sie wiederkommen? kann als Frage über neofaschistische Tendenzen auf mindestens zwei Ebenen beantwortet werden. Als Prinzipienfrage darf die Antwort damals wie heute allein ein entschiedenes »nie wieder« sein. Deutlich komplizierter wird sie hingegen, wenn sie an den realen politischen Zuständen gemessen wird. Aus dieser Perspektive ließe sie sich wie folgt umformulieren: Gibt es Strukturen oder Akteure, die dem Wiedererstarken des Faschismus nicht nur nichts entgegensetzen, sondern diese Tendenzen sogar aktiv befördern (egal ob mit oder ohne Absicht)? Im ersten Fall bleibt der Faschismus eine abstrakte Gefahr, gegen die man sich im allgemeinen Lippenbekenntnis ausspricht, im zweiten wird die Existenz der Tendenzen zum Faschismus anerkannt und nach den Ursachen gesucht. Letzteres Verständnis leitet auch das Interesse des Films.
Dürfen sie wiederkommen? entsteht 1971, auf einem Höhepunkt rechtsextremer Bewegungen in der jungen Bundesrepublik. Die NPD ist in mehreren Landtagen vertreten und verpasst 1969 nur knapp den Einzug in den Bundestag. Aus ihr entstehen zahlreiche außerparlamentarische rechtsextreme Organisationen wie die Aktion Widerstand, die offen faschistisches Gedankengut propagieren. All diese Entwicklungen werden am Anfang des Films aufgerufen, selbst wenn manche von ihnen ihren Zenit bereits überschritten hatten. So wurde die Aktion Widerstand noch 1971 wieder aufgelöst und die NPD verlor in den 1970ern bereits rapide an politischem Boden. Doch das Anliegen des Films besteht weniger in neutraler Dokumentation als politischer Intervention. Das zeigt sich bereits bei der Auswahl der Gesprächspartner*innen, die keinerlei Anspruch auf Ausgewogenheit erhebt, vielmehr als Stellungnahme in einem noch offenen politischen Aushandlungsprozess über die Ursachen hinter den Entwicklungen zu verstehen ist.
Alle sieben Interviewten teilen Erfahrungen von aktivem Widerstand gegen den Faschismus Hitlers zum einen, politischen Aktivismus gegen seine fortbestehenden Ursachen zum anderen. Zuerst spricht Birgitta Wolf über die Unmenschlichkeit des verschärften Arrests im deutschen Strafgesetz, ein Instrument der Staatsgewalt, das später maßgeblich dank Wolfs Aktivismus abgeschafft wurde. Reinhard Kühnl wiederum hatte seine Professur in Marburg erst im Jahr des Gesprächs mit Mitte Dreißig angetreten, gegen den Widerstand von Ernst Nolte, dessen reaktionäre Relativierung des Holocausts fünfzehn Jahre später den Anlass zum Historikerstreit geben werden. Statt Nolte als Gegenpol zur marxistischen Interpretation des Faschismus durch Kühnl heranzuziehen, gibt Nestler zusätzlich Kühnls Doktorvater Wolfgang Abendroth, dem Begründer der linken Marburger Schule, den längsten Redebeitrag des Films, ein Jahr vor seiner Emeritierung.
Neben der eindeutigen Positionierung im wissenschaftlichen Disput um die Ursachen des Faschismus kommen auch die Perspektiven eines italienischen Arbeiters oder eines Veterans aus dem Spanischen Bürgerkrieg zu Wort. Die jeweiligen Stellungnahmen stehen weitgehend für sich. Mit teils sichtbaren Notizzetteln, von denen vorgetragen wird, wirken sie fast wie Gastbeiträge zu einem Kompilationsfilm. In der Zusammenstellung geraten die Perspektiven in Dialog miteinander. Es geht um das Erstarken rechter Strömungen in Momenten der Krise, einen übersteigerten gesellschaftlichen Hass gegen linke Bewegungen, die Empfänglichkeit einer konservativen Mehrheit für die Radikalisierung durch eine rechte Minderheit, die rechten Gesinnungen der CDU/CSU und die Anpassungen anderer Parteien wie der SPD. Parallelen, die sich bis in unsere Gegenwart verlängern lassen.