Text: Jan-Hendrik Müller
Der Blick in die eigene Familiengeschichte führt in Tod und Teufel unweigerlich in die Geschichte einer vergangenen Epoche. Verwandtschaftliche Nähe ist dabei nur mehr durch Entfremdung und Scham sowie in Form der geisterhaften Präsenz einiger materieller Überbleibsel erfahrbar. Ein Dilemma, das Peter Nestler in Tod und Teufel anhand seines ‚unheimlichen‘ Großvaters mütterlicherseits Erich von Rosen verhandelt. Unheimlich sind jedoch nicht nur die ideologischen Verstrickungen des Verwandten, sondern ebenso die präsentierten Aufzeichnungen. In den zahlreichen Fotografien, Tagebucheinträgen und Objekten des Großvaters versammelt sich die brutale Kolonialgeschichte Europas und dessen oft als Wissenschaft getarnte räuberische Mentalität. Doch die Sammellust des Großvaters verweist auch auf eine Frage, die für Nestler selbst zentral ist. Was bedeutet es zu dokumentieren und festhalten zu wollen? Nestler hinterfragt dahingehend nicht nur die Plausibilität der ethnographischen ‚Aufschreibesysteme‘ des reisenden Großvaters, sondern auch seine eigene Praxis im nachträglichen Umgang mit den hinterbliebenen Fragmenten. Die Geschichte seines Großvaters ist damit eine Reflexion auf das frühe 20. Jahrhundert, die Verstrickung von Rassismus und Wissenschaft und deren katastrophalen Folgen.
Die Biographie von Rosens vom Erben eines reichen amerikanischen Großvaters zum Ethnologen, Archäologen und vielmehr Sammler wie selbsternannten Abenteurer wird anhand einiger seiner ‚Expeditionen‘ nach Südamerika, an den Polarkreis und bis in den Kongo und Sudan erzählt. Die inhumane Indifferenz der Reisenden gegenüber der strukturellen Gewalt an der indigenen Bevölkerung im Gebiet des Gran Chaco oder den Gräueltaten der Kolonialverwaltung im Kongo zu Gunsten ihrer eigenen ‚Entdeckungen‘ durchdringen den Film ebenso wie die erbarmungslose Ausbeutung der Natur. Die schier endlose Zahl an Fotografien erlegter Tiere als Jagdtrophäen lassen den Irrsinn einer ‚aufgeklärten‘ Expansion erahnen, an deren Fundament Chauvinismus und Überlegenheitsgefühle standen. Die verwandtschaftlichen Verbindungen von Rosens zu Hermann Göring, der ausgeprägte Antisemitismus und die Popularität völkischer Ideologien in Schweden und Finnland verwundern dahingehend nicht. Dass sich die erbeuteten Materialien nun im Besitz des ethnographischen Museums in Stockholm befinden, ist eine weitere, wenig überraschende Kontinuität.
Das Erstaunliche an Tod und Teufel ist jedoch gar nicht so sehr die Geschichte von Rosens entlang Kolonialismus, Verbrechen und Krieg, sondern vielmehr Nestlers Aufarbeitung dergleichen. Zu keinem Zeitpunkt erliegt man der gefährlichen Faszination der präsentierten Materialien und eindringlichen Schilderungen von Rosens. Das kühle Nebeneinander von Nestlers Kommentaren und den ausgestellten Dokumenten bietet durchaus Raum für ein assoziatives Nachdenken. Hanns Zischler umschrieb diese Direktheit Nestlers als eine Selbstverständlichkeit, mit der sich ‚Stoff und Darstellungsinteresse zusammenfügen‘. Nestlers Stimme verleitet zu ‚unausgesetzter Aufmerksamkeit‘. In der langsamen Montage der Standbilder steckt eine weitere Besonderheit des Films. Selber filmt Nestler nur in einer ganz kurzen Sequenz. In den ausgewählten Längen, Kadrierungen und Zooms, in den Details der Fotografien zerfällt die Ideologie der Bilder vor den Tatsachen der Geschichte. Die wenigen bewegten Amateuraufnahmen von Rosens und seiner Familie zu Beginn des Films stehen damit auch in einem paradoxen Kontrast zur Momenthaftigkeit der fotografierten kolonialen Gewalt. Der erneute Blick auf das widersprüchliche Leben von Rosens zwischen Tod und Teufel leistet insofern die notwendige Perspektivierung der Geschichte einer Epoche entlang ihrer Abgründe.