Accattone: Ein Teller Pasta, gestohlen von den Freunden. Leerer Bauch schärft die Aufmerksamkeit und macht trotzdem träge. Später am Tiber ein genussvoller Blick hoch zur Brücke. Ging es am Ende um ein Stück Schinken? Für ein Bild vom Essen bleibt keine Zeit und noch weniger Material, allenfalls ein Tellerrand am unteren Ende des Rahmens.
Mamma Roma: Ouvertüre beim Hochzeitsbankett. Über den Boden laufen Schweine. Vom Essen ist wenig zu sehen. Der Hunger bleibt wie ein blinder Fleck. Andere Körper stehen im Vordergrund unter dem harten Licht der Straßenlaternen.
La Ricotta: Orson Welles schaut schelmisch während einer Drehpause am Golgatha. Die Bilder sollen aussehen, wie zum Anbeißen. Ein Stück Käse wird abermals gestohlen, dann versteckt und anschließend im Geheimen einer Höhle hastig verzehrt.
Comizi d’amore: Das Gastmahl der Liebe handelt wenig vom Essen und mehr von der Liebe, beziehungsweise den verbotenen Früchten.
Il vangelo secondo Matteo: Aus der Erinnerung war das letzte Abendmahl fast verschwunden. Am Tisch nur ein paar Äpfel und einige Weinbecher, so symbolisch wie die Eucharistie. Ausblicke in die Basilikata. Stumm anblickende Gesichter, die die Kreuzigung und Erinnerung vorbereiten. Aufgezehrt von der eigenen Schuld läuft Judas davon, um sich das Leben zu nehmen. Sicherlich der hungrigste Jesus der Filmgeschichte, auch wenn er glaubt, keinen Hunger zu verspüren.
Uccellacci e uccellini: Der Hunger macht vor Krähen nicht Halt und Bauchschmerzen dienen als Vorwand, sich davonzuschleichen. Professoren sollten mit Sauce gegessen werden, um selbst einer zu werden. Die Andeutung zur Verspeisung des Vogels ohne Worte mit den Gesten eines Pantomimen. Am Rand des Flughafens bleiben nur ein paar verkohlte Knochen und Federn übrig. Vielleicht sind die Komödianten die Kannibalen unter den Schauspielern.
Edipo Re: Gefunden von einem Barbaren. Bevor das Orakel spricht, wird es mit Essensgaben beschenkt. Hier ist es Reis, es könnte aber auch Ricotta sein, der ähnlich hastig mit Händen zum Mund geführt wurde. Später liegen verseuchte und verhungerte Leichen vor den Toren der Stadt. Pasolini interessiert sich zwar für die Masken, aber noch mehr für das Opfer.
Teorema: Ein Tisch, bedeckt von einer weißen Tischdecke, die mit gelben Blumen bedruckt ist. In der Mitte ein ebenso gelbes Blumengesteck. Gemeinsame Essenszeremonien werden von Pasolini in Zentralperspektive aufgenommen. An den beiden Längsseiten jeweils zwei Personen. Am nächsten zum Familienoberhaupt, der stirnseitig sitzt, befindet sich der Gast, Terence Stamp. Vom Rand bedient die Haushälterin. Sie isst Brennnesseln und heilt die Krankheiten der Bauern. Der Zusammenhang zwischen Landleben und Industrie bleibt der Hunger, den man nur am nackten Körper erkennen soll.
Porcile: Nochmals Bilder aus der Vulkanwüste, nochmals Schweine. Die Lebensfeindlichkeit wird hier zum Refugium des Kannibalismus, dem Ort gröbster Fleischeslust. Den Akt des Verzehres zeigt Pasolini aber eher als Notwendigkeit, die Bestrafung folgt trotzdem, anders als bei den faschistischen Menschenfressern. Pasolinis ausdrucksstärkster Essensfilm empfiehlt für die nachfolgenden Generationen das Selbstopfer.
Medea: Die Reihe der Menschenopferungen geht weiter, hier die aufwendigste und unbeschreibliche. Ein bemalter junger Mann wird an ein Kreuz auf einem Hügel gefesselt, umringt von der harrenden Gemeinschaft. Nach seiner Tötung wird der Körper auf Teller verteilt. Es handelt sich um ein Fruchtbarkeitsritual. Die Bilder versagen vor der Beschreibung, wie der Bruch mit dem Ritual.
Il Decameron: Fast jede der Episoden könnte vom Essen handeln, es gibt immer einen Tisch, an dem gespeist wird, mehr noch aber von der Fruchtbarkeit und der Verdauung, wovon die Geschichtenerzähler berichten. Pasolini, ein Freskenmaler, isst hier mit seinen Assistenten selbst am Abendmahl, wieder in Zentralperspektive, bis ihn eine Eingebung plötzlich aufstehen lässt. Auf die Fertigstellung folgt ein großes Besäufnis. Manche Geschichtenerzähler behaupten, er hätte seinen Tod geplant. Zumindest wusste er um das, was er hinterlässt. Die Filme entstehen nun in einem enormen Tempo, angetrieben von hungrigen Löwen.
I racconti di Canterbury: Eine Geschichte, die sich von hinten, vom Arsch der Hölle, erzählt. Für das Festessen findet Pasolini keine Zentralperspektive mehr, es handelt sich um ein ausuferndes Gelage, die Kamera versucht die Menge von oben zu überblicken. Zwischen Tisch und Feuer werden Speisen durchgereicht, später eine Wiederholung im Freien. Essen als notwendige Sünde tritt als beständige Erneuerung auf.
Il fiore delle mille e una notte: Ein letztes Mal, ein großes Festmahl. Im Hof einer Moschee versammeln sich zahlreiche Menschen und sitzen am Boden im Schatten von bunten Tüchern. Riesige Tablette, von zwei Personen getragen, mit getürmten Reis werden herangeschafft. Das Bankett verlängert sich in die Innenräume, gigantische Karaffen inmitten der essenden Kreise. Auf einem gelb-blau gemustertem Teppich der ausgestellte Überfluss. Reisberge, Nüsse, Trauben, Datteln, Gebäck. Gegessen wird mit den Händen. Ungebetene Gäste werden gekreuzigt.
Salò o le 120 giornate di Sodoma: Alles, was übrig bleibt.

