Macht es überhaupt Sinn sich näher mit einem Film zu befassen, der daraus entstanden ist, dass ein SNL-Sketch unvorhersehbare Eigendynamik entwickelt hat? Endet eine Interpretation der dahingeworfenen Späße und Anspielungen, die nie ganz ernst gemeint sind, nicht unweigerlich in totaler Absurdität? Eine Deutung Jakes und Elwoods als Boten Gottes, die als Findelkinder in einem christlichen Waisenhaus aufgewachsen sind, wo ihnen der Erzengel Curtis, den Blues näher brachte, wäre zwar amüsant, schießt aber weit übers Ziel hinaus.
Vielleicht kann man sich dem Film aber auch anders nähern, nämlich weniger in Form einer textuellen Analyse, die wahrscheinlich zwangsläufig in einer Überinterpretation endet, sondern in einer Betrachtung was der Film als Film macht. The Blues Brothers nicht als popkulturelle Ikone, sondern schlicht als Musicalfilm unter vielen. Denn gerade das Musicalgenre lädt dazu ein, bestimmte Konventionen und eine geschlossene Filmwelt zu akzeptieren, in der Menschen in Momenten großer Spannung mit Gesang und Tanz reagieren. In The Blues Brothers ist das nicht anders.
Nach einer kurzen Eröffnungssequenz, in der der Moloch Chicago vorgestellt wird, besuchen Jake und Elwood die Mutter Oberin des Waisenhauses, in dem sie aufgewachsen sind und das nun geschlossen werden soll. Dort öffnen und schließen sich Türen von Geisterhand und die Nonne selbst scheint gar zu levitieren. Später spielt der von Ray Charles verkörperte blinde Besitzer eines Musikladens, auf einem Keyboard, das gar nicht verkabelt ist. Zuvor werden die Brüder vom göttlichen Licht erfüllt und beschließen ihre alte Band zu reaktivieren, um Geld aufzutreiben und die Schließung ihres alten Zuhauses zu verhindern. Wie ernst es Jake und Elwood, beziehungsweise die Filmemacher selbst mit dieser Offenbarung meinen, wird nie restlos geklärt, das Publikum ist jedoch spätestens zu diesem Zeitpunkt aufgefordert, die übernatürlichen Vorgänge, die durch den Geist der Musik oder die Macht Gottes ausgelöst werden, als Teil dieser spezifischen Filmwelt zu akzeptieren.
Übernatürlich gut sind auch die Musiknummern. Die neu interpretierten R’n’B- und Blues-Klassiker sind fabelhaft und die Riege an Gaststars ist beeindruckend: Ray Charles, James Brown, Aretha Franklin, John Lee Hooker und der altehrwürdige Cab Calloway. Die Inszenierung der Musikstücke ist dabei ganz unterschiedlich. Zum Teil werden die Songs in Bühnensituationen gespielt, andere werden in bester Musicalmanier mit aufwendigen Tanzchoreographien aufgeführt. Liegt im ersten Fall das Hauptaugenmerk meist auf den Liedern selbst, deren Beziehung zur momentanen Situation im Film und der Performance von Jake und Elwood, so sind die elaborierteren Nummern allesamt mit den Gastauftritten der bekannten Musiker verbunden. Da erstrahlt die Bühne des Palace Hotel Ballroom auf einmal im Glanz der Dreißiger Jahre, jene Zeit, als Cab Calloway seine ersten Erfolge mit „Minnie the Moocher“ feierte; da wird die Predigt von James Browns Reverend durch Zirkusakrobatik ergänzt; doch das Prunkstück der Musicalnummern ist eindeutig „Think“ von Aretha Franklin als Jake und Elwood in ihrem Soul Food Cafe erscheinen, um ihren Ehemann, einen genialen Gitarristen, für ihre Band zu gewinnen. Draußen auf der Straße bildet sich spontan eine tanzende Masse, im Inneren wird Franklin von drei weiblichen Gästen unterstützt, während sie ihren Matt „Guitar“ Murphy davon abhalten will wieder in die Band dieser Versager einzutreten. Sie bleibt erfolglos, Matt wirft seine Kochschürze hin und kehrt zur Band zurück, doch die Gegenüberstellung von Innen (Café) und Außen (Straße), Mann und Frau, sowie Spaß und Ernst gelingt im Film nie besser. Die tragische Rolle der Mrs. Murphy, die ihren Mann nicht abermals an die nutzlosen Brüder verlieren will, wird unterminiert durch die Komik des Acts, wenn Jake und Elwood sich, vom Geist der Musik erfüllt der Choreographie der vier Damen anschließen.
Neben der Musik bleiben aber vor allem die wohlorchestrierten Zerstörungsorgien in Erinnerung. Dazu zählen nicht nur die berühmten Massenkarambolagen von Polizeiautos, sondern auch die „explosiven“ Anschläge durch Jakes Ex-Freundin (gespielt von Carrie Fisher). Sie sprengt die Brüder mehrere Male in die Luft und attackiert sie mit Maschinengewehr und Flammenwerfer, was die beiden ohne Kratzer überstehen. Bewahrt sie ihr göttlicher Auftrag vor körperlichem Schaden, oder ist es die Slapstick und Cartoontradition und –logik, nach der diese Szenen operieren?
Aufwendiger und wichtiger für die Handlung sind allerdings die Autoverfolgungsjagden, die in verschwenderischer Vernichtung enden. Angefangen mit einer kurzen Jagd durch eine Mall bis hin zu einem mehrere Dutzend Wagen umfassenden Verfolgungskonvoi auf dem Highway. Die Polizei stellt sich dabei nicht allzu klug an und das „Bluesmobile“ (ein aussortiertes Polizeiauto) zeigt überlegene Motorkraft und Manövrierfähigkeit. Wohlgemerkt wurde in diesen Szenen nicht mit CGI getrickst, alle Wagen wurden tatsächlich demoliert.
Im Kern ergänzen die großen Autoszenen einfach das Gag-Arsenal des Films. In dieser Hinsicht ist der Film ohnehin sehr vielseitig. Jake und Elwood fungieren als klassische Doppelconférence, wobei Elwood zumeist die Rolle des Tölpels übernimmt. Der Film beschränkt sich jedoch nicht darauf, sondern bietet auch Slapstick, akrobatische Einlagen und Satire. Die Idee an sich lässt sich als Parodie auf die Musikindustrie und unterschiedliche Bands deuten, ebenso das Auftreten der Beiden als Brüder und ihre Bekleidung, die schwarzen Anzügen und Sonnenbrille, die mitunter für Verwirrung sorgen (eine Dame hält die Beiden für FBI-Agenten, später geben sie sich selbst als Beamten einer Behörde aus). Vieles wird übertrieben dargestellt (z.B. Elwoods Fahrverstöße) oder kehrt die realen Verhältnisse um (der weiße Abwäscher im afro-amerikanischen Café), behält aber immer genug Bezug zur Realität, um glaubhaft zu bleiben – eine Kunst, die heutige Komödienfilme zu oft vermissen lassen).
All diese Szenen, also die Autokarambolagen, die Musicalnummern, wie auch die komödiantischen Stellen folgen dem Muster eines Comedy-Sketches. Sie funktionieren mehr oder weniger eigenständig und sind als Vignetten aneinandergereiht. Die Episoden fungieren als Stationen entlang eines wilden Ritts durch Upstate Illinois. In dieser Hinsicht ist der Film ein Roadmovie. Die Musik, Gags und Action funktionieren allesamt nach dem Muster, dass die Macher bei SNL eingeübt und perfektioniert haben, und das John Landis bereits bei seinem früheren Film The Kentucky Fried Movie eingesetzt hat. In The Blues Brothers sind die verschiedenen Episoden durch Jake und Elwood jedoch weitaus enger miteinander verbunden. Die beiden Brüder dienen als „Masters of Ceremony“, die durch den Film leiten und einen narrativen Faden für die Gags bieten. Nicht zuletzt funktioniert der Film auch deshalb, weil hier ein von sozialen Problemen gebeuteltes Amerika dargestellt und auf den Arm genommen wird und trotz aller Überzeichnung und Leichtigkeit der Musiknummern, immer wieder die alles andere als komische (Lebens-)Realität in diesem Amerika durch die glitzernde Fassade sichtbar wird: Armut, Rassenkonflikt.