In den Hügeln oberhalb Sankt Gallens stehen Linden wie Bojen im Grün. Wer ihnen folgt und von einer zur nächsten wandert, geht verloren zwischen den von Schneeverwehungen verlassenen Berggipfeln und dem stygischen Lauern des Bodensees. Wir steigen aus der Stadt dorthin hinauf an einem Frühlingsmorgen. Du zeigst auf ein Schild, es seien nur drei Stunden von hier zu Fuß nach Herisau, wo Robert Walser im Schnee gelegen ist, ganz so, wie er es gewollt hatte. Du fragst mich, ob ich überhaupt noch bereit wäre für einen solchen Weg. Ich nicke, aber weiß es nicht. Ich habe lange nichts gesehen.
Ehrlichgesagt wollte dich zurücklassen dort in deiner Richtungslosigkeit, deiner moosverhangenen Selbsttraurigkeit, deiner zittrigen Demut, die sich an Ähren klammert und wundert, dass es so viele Verzweigungen gibt in dieser Welt. Ich wollte mich von dir lösen, um endlich im Leben zu stehen, statt immer nur zu schweben, zu fliegen, zu fallen. Ich glaube, du hast davon nichts gemerkt. Bei der nächsten Linde, habe ich mir gesagt, werde ich abbiegen und hinab zum See gehen oder hinauf in den Schnee. Bei der nächsten Gabelung werde ich verschwinden und dann wird alles gut.
Aber jetzt steige ich dir hinterher, durch den Wiesengeruch der ersten Mahd des Jahres, und bin überrascht von der klaren Luft und dem hellen Tag und dass all das wilde Blühen mit einem Mal so beschwichtigend auf mich wirkt. Ich spüre, dass wir uns noch einmal finden könnten hier in den Löwenzahnfeldern, unter den Ahornbäumen, in diesem Gelände, in dem es nur Rundungen zu geben scheint, sich wellengleich ins Tal erschöpfende Reliefformen, die an die sanftesten Tage erinnern, die ich in mir trage.
Und dann denke ich mir, dass es noch einmal möglich sein müsste, wenigstens noch ein Mal ohne das mögliche Ende zu sehen und die grauen Wolken über den Berggipfeln, und ich denke an jenen Tag, der den Sommer hereinlässt und ich linde.
Das muss vor Jahren gewesen sein, sagst du. Ich nicke, obwohl ich nicht weiß, von was du gerade sprichst. Ich war in Gedanken anderswo.