Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Susan Sontag Revisited 2: Durasiert

Ioa­na und Patrick unter­hal­ten sich wei­ter über ihre Ein­drü­cke von Sus­an Son­tags Fil­men. Es geht uns nicht dar­um, irgend­wel­che all­ge­mein­gül­ti­gen Aus­sa­gen oder Ana­ly­sen ihres Wer­kes abzu­ge­ben, son­dern eher einen Gedan­ken­strom wie­der­zu­ge­ben, der uns beim Tref­fen mit ihren Fil­men heimsuchte.

Teil 1

Ioa­na:

◊ Trau­er­abend mit unver­söhn­ten Men­schen, ver­schwun­de­nen Lie­be und der ver­schwin­den­den Stadt

◊ Mei­ne Ver­wir­rung mit den Dia­lo­gen, die ich viel­leicht zu stark betont habe, löst sich mit La déchir­ure – Pro­mi­sed Lands und Giro turisti­co sen­za gui­da (der mir bis­lang ihr viel­leicht voll­endes­ter Film zu sein scheint) auf.

La déchir­ure – Pro­mi­sed Lands – Zeigt man trau­ern­de Men­schen in Nahaufnahmen?

◊ Der erschüt­ternds­te Moment, den ich bis­lang mit den Fil­men von Son­tag ver­bracht habe, ist der Blick in die Kame­ra-Part­ner PoV in Giro turisti­co sen­za gui­da. Dort ist nichts mehr. In Brö­der Carl macht sie auch Gutes, viel­leicht Mehr­deu­ti­ge­res (nein, eigent­lich nicht, es ist nur die Direkt­heit) mit PoV, aber irgend­wie tat die­ser Moment mehr weh.

◊ Nein, man kann Duras nicht erreichen

◊ Du hast Recht mit den Ton-Sachen in La déchir­ure – Pro­mi­sed Lands.

◊ Ich mag den Screen Test von War­hol mit Son­tag mit den Gri­mas­sen. Ich habe irgend­wann vie­le Screen Tests von War­hol gese­hen, ich glau­be es war in einer Nacht in einem Jazz Gar­ten in Buka­rest und es gab eine wun­der­bar biz­za­re musi­ka­li­sche Beglei­tung und ich moch­te es. Von Peter Kubel­ka hat­te ich noch nie gehört.

PARIS - MARGUERITE DURAS

Susan Sontag

Patrick:

◊ Nein, man kann Duras nicht errei­chen. Was bei mir vor allem ver­schwin­det in die­sen Fil­men ist: Sus­an Son­tag. Ich kann sie nicht spü­ren, ich spü­re nur, was sie mag. Am bes­ten hat mir des­halb viel­leicht am Ende von Brö­der Carl gefal­len, als es dar­um ging, dass sie die­se Wie­der­ge­burt von Drey­er (von nir­gends anders ist sie) nicht errei­chen kann.

La déchir­ure – Pro­mi­sed Lands scheint mir in die­ser Hin­sicht ein ehr­li­che­rer, ein dring­li­che­rer Film zu sein. Da woll­te sie ein­fach mit der Kame­ra an einem Ort, in einer Situa­ti­on, in einem The­ma sein.

◊ Der Anfang des Films mit die­ser Ton­mon­ta­ge ist ziem­lich beein­dru­ckend. All­ge­mein sind die­se Ton-Sachen in La déchir­ure – Pro­mi­sed Lands das ein­zi­ge, was mir blei­ben könn­te aus den Fil­men. Glo­cken, die sich in einem Orches­ter verdichten.

◊ Aber was war das für eine furcht­ba­re Kopie? Irgend­ei­ne digi­ta­le Sache bei bei­den Filmen.

◊ Zeigt man trau­ern­de Men­schen in Nah­auf­nah­men? Wie zeigt man Trau­er? Ich fin­de die­se Fra­ge sehr inter­es­sant bei einem Film, der unter ande­rem an der Kla­ge­mau­er spielt. Man wen­det sich an eine Mau­er. Das Gesicht wen­det sich ab oder wen­det sich zu? Ist Trau­er wirk­lich im Gesicht? Es gibt Den­ker, die sagen, dass das gan­ze Leben Trau­er­ar­beit ist. Ist dann über­haupt eine Nah­auf­nah­me erlaubt. Ich glau­be, dass eine Nah­auf­nah­me von Trau­ern­den erlaubt sein muss, weil die nöti­ge Distanz in die­sem Fall kei­ne Fra­ge der Kame­ra, son­dern der Mon­ta­ge ist. Denn nur die Trau­er in einem Gesicht ist kein Ver­bre­chen. Das Aus­nut­zen ihrer Emo­tio­na­li­tät wäre es. Also zu zei­gen: Hier trau­ert jemand, jetzt musst du auch wei­nen. Das fin­de ich nicht ok.

◊ Der Screen Test war tat­säch­lich wun­der­bar. Ich wür­de ger­ne ein­mal alle Screen Tests von War­hol sehen ein Jahr lang.

Giro turisti­co sen­za gui­da zeigt, dass Duras einen öff­net für Sehen und Schrei­ben und Son­tag beherrscht die­se bei­den Din­ge. Des­halb ist das ein guter Film. Auch wenn ich kein Fie­ber bekom­men habe. Nur einen Tanz, manch­mal einen Blick und ganz viel Unter­gang. (ich habe Mahler gehört, Vis­con­ti besitzt die­se Stadt).