Origin of Symmetry: Afternoon von Tsai Ming-liang

In einer anmaßenden Unbeholfenheit schafft Tsai Ming-liang in diesem Filmdialog/Dialogfilm eine derart beruhigende und erwärmende Stimmung, dass man ihm, im Gespräch mit seiner – selbst sitzend in einer Halbtotale hypnotisierenden – Muse Lee Kang-sheng Stunden zuhören könnte. Auf zwei niedrigen Stühlen sitzen die beiden Filmemacher, Schauspieler, Vater/Sohn, Liebender und Geliebter, Pinsel und Farbe, weil Tsai das so möchte, weil er etwas loswerden möchte, ohne dass er die genauen Worte dafür hat. Mehr wird es nicht geben in diesem Film, der strukturell vielleicht mit Corneliu Porumboius Al doilea joc verwandt ist, ohne jedoch dessen Vielschichtigkeit zu besitzen. Stattdessen geht es hier – und das ist schon viel genug geschichtet – um das Verhältnis und die Geschichte zwischen Tsai und seinem Schauspieler, seinem immerwährenden Hauptdarsteller Lee, vielleicht ist Afternoon auch der verlorene Versuch einer Danksagung an den Darsteller, die gerade dadurch glückt, dass sie immer wieder scheitert, die Unsicherheit einer Zufriedenheit und ganz sicher der Stolz eine Zeit des Glücks einfrieren zu können bevor das Glück wieder verschwindet („I tell people that I feel very blissfull. I don’t know if they understand.”).

Es ist keineswegs so, dass der Film jegliche kinematographischen Qualitäten, die das Kino des in Taiwan arbeitenden Filmemachers ausmachen, über Bord werfen würde. Diese Einstellung, der wir über zwei Stunden in vier Takes folgen ist voller modernistischer Kraft und sinnlicher Stille. Mit einer weitwinkligen Aufsicht wurden die zwei Stühle in der Ecke eines Raumes platziert, der wunderbar in das Universum der Ruinen passt, die Tsai sonst so aufsucht (Tsai:„I love ruins“, Lee: „In your films I always play ruins.“), einzig, dass es sich in diesem Fall um sein tatsächlichs Haus in den Bergen handelt. Durch zwei glaslose Fenster ragen Pflanzen und man erahnt das Grün eines tiefen Waldes. Immer wieder kommt Wind auf und untermalt die Suche nach Worten und deren zerbrechlichen Klang. Lee, den Tsai als den vielleicht merkwürdigsten Schauspieler aller Zeiten bezeichnet, weil man nie wisse, ob er spiele oder nicht, macht nicht viel und lässt uns (uns Zuseher hingebungsvoll in der Filmwelt von Tsai/uns Menschen, die mit den Augen im Kino sind) erneut mit der staunenden Liebe einer Unbegreiflichkeit zurück. Seine knappen Antworten und spärlichen Gesten sind von einer verletzten Trockenheit. Immer wieder muss Tsai laut auflachen, durchgehend federt Lee die emotionalen Regungen seines Entdeckers ab. Aus ihm spricht gleichzeitig die Erfahrung aus dem Umgang mit seinem Regisseur sowie das daraus resultierende Vertrauen und die Angst.

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Zwei Dinge sollten unbedingt klargemacht werden: Zum einen ist Afternoon keineswegs ein hochkomplexer Film. Es ist die schlichte Einfachheit und Gefahr eines Moments und das Vertrauen in die Komplexität dieser Simplizität. Jedes Wort, dass man als Schreibender darüber verliert, mag vielleicht so antizipiert sein, aber letztlich handelt es sich einfach nur um ein Gespräch dessen poetische, theoretische und philosohpische Tragweite nicht unbedingt (aber auch) aus der Kraft der Kamera geweckt wird, sondern aus dem Dialog selbst entsteht sowie den schweigenden Augenblicken, den kleinen Bewegungen, dem Lachen und Lächeln zweier Menschen, die uns berühren. Das wunderbare ist nur, dass uns Tsai in dieses Gespräch eingeladen hat. Zum anderen handelt es sich – wie vielleicht sonst nur bei Où gît votre sourire enfoui? von Pedro Costa – um einen versteckten Liebesfilm, der hinter dem Schatten einer gemeinsamen Arbeit entsteht. Nein, Afternoon ist kein großes Outing der beiden – auch wenn Tsai sagt, dass er im Film zum ersten Mal öffentlich über seine Homosexualität spricht – es ist vielmehr ein Film über das unerwiderte Begehren, der über die Liebe jenseits jeglicher sexueller Verbindungen zwischen den beiden erzählt. So handelt Afternoon auch von der Unmöglichkeit zwischen Künstler und Muse, der Unmöglichkeit des wirklichen Berührens, die hier eine Beständigkeit bewirkt, dessen Druck man in jedem Bild des Werks von Tsai sehen kann, eine Konzentration zwischen Schatten und Licht, die im Unbegreifbaren von Lee liegt, der Seite von Lee, die Tsai und auch uns verborgen bleibt. Und das ist zugleich der Inhalt als auch der Reiz dieses Gesprächs. Diese Frage des unerwiderten Begehrens ist auch der große Unterschied zu einem Film wie Jean-Luc Godards Soft&Hard, der die Reflektion auf das eigene Werk in die Beiläufigkeit eines Alltags einbettet während des Gespräch zwischen Tsai und Lee gar nicht erst in einen Alltag fallen kann (selbst wenn sie es wollten), weil es durchgehend voller Unsicherheiten ist und von einer Neugier handelt, die zumindest im Fall von Tsai noch immer auf der Suche ist, rastlos und emotional. Natürlich gilt das auch für Godard, aber im Fall dieser beiden Filme steht eine Art berechnende Selbstironie gegen eine Ehrlichkeit, die sich nicht scheut, den eigenen Stolz zu filmen. Ob das an kulturellen Unterschieden liegt, mögen andere beurteilen.

Natürlich ist Afternoon auch ein Film über die Einsamkeit (Krankheit, Liebe), die Alltäglichkeit (Essen, Krankheit, Spaziergänge) und das Zögern. Tsai baut also auch nach seinem offiziellen Karriereende als Filmemacher an seinem Filmhaus (nur, dass wir dieses Mal in seinem Haus sind und so platt diese Feststellung erscheinung mag, so aussagekräftig ist sie), in dem sich alles immerzu aufeinander beziehen lässt. Zunächst scheint es gar nicht so, dass es ihm darum ginge, seine Dankbarkeit an Lee loszuwerden, denn am Anfang des Gesprächs geht es Tsai um die dauernde Präsenz seiner eigenen Vergänglichkeit, seine Angst vor dem Tod. Immer wieder wird er darauf zurückkommen, dass es plötzlich vorbei sein könne. Für manchen Betrachter mag dieses zum Teil unvorbereitete (oder zumindest jederzeit so wirkende) Reden wie der Gipfel einer Willkürlichkeit wirken (wiederholt sagt Tsai, dass man vielleicht nie wieder so miteinander reden könne, woraufhin Lee einmal entgegnet: „We can talk any time“), aber darin drückt sich trotz oder gerade wegen des beständigen Selbstlobs keine Arroganz aus, sondern die Freude einer Zufriedenheit, die geteilt wird. Klar kann man darüber diskutieren, ob ein solcher Film auf Festivals laufen sollte, aber Tsai versteht die Mechanismen der Kunstszene derart gekonnt, dass er mit Afternoon sogar noch einen mutigen Schritt weiter ins Museum geht als gewohnt: Der Künstler zählt hier, nicht sein Film beziehungsweise sein Film existiert nur im Dialog mit dem Künstler. Ich vermag nur spekulieren, wie sinnlos dieses großartige Werk einigen Zuschauern erscheint, die keinen Film von Tsai Ming-liang gesehen haben…mit Afternoon wird Film dann zur „Insider-Art“, von der Jean Renoir geträumt hat. Wir haben vielleicht Lee nicht besser verstanden, aber wir haben das einfache Licht zwischen Künstler und Muse gesehen.

2014: Ein Bildgedicht

P'tit Quinquin von Bruno Dumont

2014 ist….

…Erwachsenwerden.

Boyhood von Richard Linklater

Boyhood von Richard Linklater

…Licht, Schatten und Ventura.

Cavalo Dinheiro von Pedro Costa

Cavalo Dinheiro von Pedro Costa

…Eintauchen in unendliche Kinowelten.

Guardians of the Galaxy von James Gunn

Guardians of the Galaxy von James Gunn

…philippinischer Dschungel.

Mula sa kung ano ang noon von Lav Diaz

Mula sa kung ano ang noon von Lav Diaz

…Awesome!

The Lego Movie von Phil Lord/Chris Miller

The Lego Movie von Phil Lord/Chris Miller

…Erinnerung an einen guten Freund.

Life Itself von Steve James

Life Itself von Steve James

…ein Land der Wunder.

Le Meraviglie von Alice Rohrwacher

Le Meraviglie von Alice Rohrwacher

…All that Jazz!

Whiplash von Damien Chazelle

Whiplash von Damien Chazelle

…stumme Gewalt.

Plemya von Myroslav Slaboshpytskiy

Plemya von Myroslav Slaboshpytskiy

…ein Puzzle.

Gone Girl von David Fincher

Gone Girl von David Fincher

…Kappadokische Kammerspiele.

Kış Uykusu von Nuri Bilge Ceylan

Kış Uykusu von Nuri Bilge Ceylan

…endloser Konflikt.

Das erste Meer von Clara Trischler

Das erste Meer von Clara Trischler

…Fußballspielen im Schnee.

Al doilea joc von Corneliu Porumboiu

Al doilea joc von Corneliu Porumboiu

…die Bestie Mensch.

The Salt of the Earth von Wim Wenders und Julian Ribeiro Salgado

The Salt of the Earth von Wim Wenders und Julian Ribeiro Salgado

…ein Doppelgänger.

Enemy von Denis Villeneuve

Enemy von Denis Villeneuve

…Entschleunigung.

Journey to the West von Tsai Ming-liang

Journey to the West von Tsai Ming-liang

…schräge Vögel.

Birdman von Alejandro González Iñárritu

Birdman von Alejandro González Iñárritu

…ein Unterschlupf in einer kalten Winternacht.

L'Abri von Fernand Melgar

L’Abri von Fernand Melgar

…lebendige Kunst, lebendige Geschichte.

National Gallery von Frederick Wiseman

National Gallery von Frederick Wiseman

…Christbäume und Einsamkeit.

Christmas Again von Charles Poekel

Christmas Again von Charles Poekel

…nicht in Worte zu fassen.

P'tit Quinquin von Bruno Dumont

P’tit Quinquin von Bruno Dumont

…im Kinosaal erblinden.

Adieu au Langage von Jean-Luc Godard

Adieu au Langage von Jean-Luc Godard

…ein Besuch bei einer Erinnerung.

Gyeongju von Zhang Lu

Gyeongju von Zhang Lu

…Liebe und Unschuld.

Still the Water von Naomi Kawase

Still the Water von Naomi Kawase

 

 

 

Al doilea joc von Corneliu Porumboiu

Wenn einer der besten Filme des Kinojahres ohne Kameramann und Drehbuchautor entsteht, dann sollte man darüber nachdenken. In Corneliu Porumboius Al doilea joc sehen wir ein Fußballspiel zwischen Steaua Bukarest und Dinamo Bukarest. Es ist dies die Aufnahme einer alten VHS-Kassette aus dem Jahr 1988, die Bildqualität zergeht in den Informationen einer ausgeleierten Optik, aber man erkennt eine ungeahnte Schönheit im beständigen und unwirklichen Schneetreiben der rumänischen Hauptstadt. Zu hören ist-und hier kommt tatsächlich die Arbeit eines Cutters mit ins Spiel-ein die Bilder kommentierender Dialog zwischen Corneliu Porumboiu und seinem Vater Adrian, der die Partie vor 26 Jahren als Schiedsrichter leitete. Dieser Dialog, so gestand der Regisseur, wurde aus mehreren Takes zusammengeflickt. Außer dem Einlaufen der Spieler und einem tatsächlich mit hinzugefügter Musik unterlegten Ende des Spiels hat der Film also tatsächlich exakt die Länge eines Fußballspiels: 90 Minuten +/- Nachspielzeit.

Zwar sind und waren Paarungen zwischen Steaua und Dinamo immer von besonderem Charakter, zumal in der Ära von Ceaușescu somit das Team der Armee gegen jenes der Geheimpolizei antrat, aber ansonsten ist diese Partie wohl abgesehen vom heftigen Schneetreiben keinem Fußballfan in Rumänien in besonderer Erinnerung, ein normales Spiel, ein alltägliches Spiel aus einer großen Zeit des rumänischen Fußballs (Sport wurde besonders und mit allen Mitteln gefördert, weil er ein bestimmtes Bild des Kommunismus vermittelte, damit ist eines der zahlreichen Themen, über die Vater und Sohn hier sprechen auch ganz automatisch der Verfall des rumänischen Fußballs). Schon zu Beginn stellt sich natürlich die Frage, inwiefern ein solches Unterfangen überhaupt von einer filmischen Qualität sein kann, denn schließlich stehen weder Technik noch Inhalt für das Kino. Aber in der Kombination von Bild und Ton und vor allem ihrem Auseinander- und Zueinanderdriften entwickelt sich eine Ebene, die man schlichtweg als großes Kino bezeichnen kann. Hinzu kommt, dass Herr Porumboiu wie bereits in seinem grandiosen Debut A fost sau n-a fost? die zeitliche Geschlossenheit einer TV-Übertragung als rhythmisch-dramatisches Element für seinen Film benutzt. Und wie in seinem vorletzten Film Când se lasa seara peste Bucuresti sau metabolism legt er gleichzeitig einen selbstreflexiven Spiegel auf sein eigenes Schaffen und jenes des Mediums, das er dafür benutzt. Der Schnee, der mit den zum Teil absurden Zensurschnitten des staatlichen Fernsehens, die bei körperlichen Auseinandersetzungen auf dem Spielfeld auf die starren vereisten Zuseher schneiden, eine betonendes Element bekommt, gibt dem Spiel eine ästhetische Qualität, die man so nicht erwartet hätte. Ein VHS-Baum ist mehrfach im Bild, im Hintergrund stehen kaltgefrorene Polizisten und das weiße Rauschen legt sich über das Spiel wie die Zeit selbst, ein sinnlicher, spürbarer Genuss, der auch die Bewegungen von Ball und Spielern in einer Art entfremdet, die man im professionellen Fußball selten sieht.

Porumboiu Steaua Bukarest

Vielleicht ist es aber sowieso der Fußball selbst, der einiges an künstlerischem Potenzial aufweist, was meist unter dem Zirkusspektakel und Gejohle von Fans begraben wird. Herr Porumboiu besitzt den sensiblen Filter, der auf jene ästhetischen und philosophischen Aspekte des Spiels eingeht. Damit steht er sicherlich nicht alleine. So hat die Cahiers du Cinéma im Sommer anlässlich der Fußballweltmeisterschaften die unterschiedlichen Regisseure der TV-Übertragungen nach auteuristischen Merkmalen untersucht und die jeweiligen Übertragungen nach formalen Gesichtspunkten wie der Länge von Einstellungen und der Häufigkeit von Zwischenschnitten untersucht. Ich habe mich darin versucht, den Freeze-Frame zwischen Fußball und Kino zu betrachten. Auch erinnerte mich Al doilea joc an eine legendäre TV-Übertragung einer Partie zwischen Bayern München und Borussia Dortmund im Pay-TV (damals noch: Premiere). Man konnte bei diesem Spiel zwischen zwei unterschiedlichen Tonspuren wählen. Auf einer kommentierte Marcel Reif das Geschehen und auf der anderen das Duo Michael Bully Herbig und Stefan Raab. In der ersten Hälfte kommentierten die beiden Komiker noch das Geschehen, sie rissen ihre Witze und hatten einen großen Spaß bei einem ziemlich unvergesslichen Spiel. In der Halbzeit entschieden sie sich dann, eine Pizza zu bestellen und verweigerten zu großen Teilen der zweiten Hälfte jeglichen Kommentar des durchaus dramatischen Geschehens. Auch das war gewissermaßen Kino. Wie bei Herrn Porumboiu entfaltete sich eine Dynamik, die auch jenseits des Spiels hätte stattfinden können, aber nur mit den Augen auf dieses Spiel so stattgefunden hat. Zwar ist in Al doilea joc der Kommentar des tatsächlich sichtbaren Bilds deutlich relevanter, aber die von merkwürdigen Schweigepassagen und zärtlichem Humor bestimmte Vater-Sohn Beziehung, die hier im Rahmen des Spiels entsteht, gibt zu denken. Zum einen, weil man hier einen Sohn hat, der seinen Beruf ausübt und sich während seiner Tätigkeit mit dem Beruf seines Vaters auseinandersetzt. Dadurch werden Parallelen zwischen beiden Berufen offengelegt und Denkweisen verglichen. Hier wäre die ausgiebige Diskussion der Vorteilsregel nennenswert, die Adrian bis zur Schmerzgrenze sehr konsequent anwendete. Es ging ihm dabei um den Fluss des Spiels, das Weitergehen, also wie die Zeit, wie das Kino. Statt einer Unterbrechung der Welt geht die Zeit weiter. Die Dinge verändern sich, aber sie laufen weiter. Inwiefern sich also die Aufgaben eines Regisseurs und eines Schiedsrichters ähneln,, ist eine der Fragen des Films. Wenn man Zeit-und so macht man das vernünftigerweise-als einen Motor des Kinos betrachtet, ist klar, dass die Bedeutung ihres Kontinuums eine große Rolle spielen muss und gerade im zeitgenössischen rumänischen Kino und im Schaffen von Porumboiu spielt die Idee einer zeitlichen Geschlossenheit und Kontinuität eine herausragende Rolle.

Zum anderen ist das private Gespräch abseits jeglicher Kameras von einer Natürlichkeit und Alltäglichkeit geprägt, die tatsächlich in das Leben zwischen diesen beiden Menschen blicken kann. Der Blick auf ein drittes Bild, das in Relation zu diesen beiden Menschen steht, ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn das Fußballspiel ist Grund für den Film und Vergangenheit des Vaters zugleich. Neben den unterschiedlichen Welten und Perspektiven treffen hier also auch unterschiedliche Zeiten von Vater und Sohn aufeinander. Natürlich ist man versucht sofort die politische Karte zu spielen, sicherlich wählt Porumboiu auch nicht nur wegen des Schneefalls ein Spiel aus dem Jahr 1988 aus. Aber seine Angst als Kind, von der er einmal spricht und die professionelle Nüchternheit seines Vaters gegenüber dieser Vergangenheit bewegen sich auf einer Rasierklinge des Unaussprechbaren (der Vater erzählt wie es lief und was er tat, Emotionen scheinen damit nicht verbunden zu sein.). Damit ist Al doilea joc ein zutiefst trauriger Film. Er erzählt davon, wie schwer es ist, mit unseren Söhnen und unseren Vätern zu kommunizieren. In Juventude em marcha von Pedro Costa gibt es diese Szene zwischen Vanda und Ventura, in der die beiden minutenlang nebeneinander auf einem Bett sitzen und liegen und in einen Fernsehschirm Off-Screen blicken. Ihre Kommunikation reduziert sich auf die Bilder. Herr Porumboiu dreht dieses Bild um, er zeigt uns nur den Fernsehbildschirm, aber die Kommunikation ist dieselbe. Selbstverständlich wirkt dies zunächst anders, da der Regisseur mit einigen konkreten Fragen versucht, seinen Vater aus der Reserve zu locken. Aber gerade in der zweiten Halbzeit werden die Passagen des Schweigens länger und eine triste Leere legt sich über die Gegenwärtigkeit des Spiels. Hier reduziert sich der Dialog oft auf kurze Bemerkungen zum Spiel, kritische Seitenhiebe bezüglich einer Schiedsrichterentscheidung und einer gewissen Bewunderung der Geschwindigkeit des Spiels. Damit ist es das dritte Bild einer verzehrten und irgendwie unterschiedlichen Vergangenheit das Vater und Sohn hier fast gewaltvoll, in Form eines Films zusammenbringt.

Al doilea joc

Al doilea joc ist auch ein Film über die Möglichkeit eines Films. Vor dem Gespräch besteht einzig das Potenzial eines Films, der erst im Gespräch zur Realität werden kann. Damit macht Herr Porumboiu die Zeit schon in der Herstellung seines Films zu einem Hauptcharakter. Gerade in einer Zeit, in der Originalität und Individualität als unhaltbar hohe Werte im Filmschaffen hochgehalten werden, zeigt Herr Porumboiu bereits zum vermehrten Mal, dass die Absurdität des Alltags das ganze Kino umarmen kann. Er geht nur insofern einen Schritt weiter, indem er beweist, dass er dafür keine Kamera braucht. Ein Found Footage-Beckett sozusagen. Wenn Herr Porumboiu an einer Stelle das laufende Spiel mit einem seiner Filme vergleicht, weil da genauso wenig passiert, dann sieht man ihn fast schelmisch grinsend hinter dem Mikrofon. Dieser hors champs der Stimmen, die wir da hören, ist auch deshalb so bemerkenswert, weil wir das jüngere Abbild eines Mannes sehen während wir von seiner Gegenwart nur noch eine Stimme haben, als Echo einer verdrängten Vergangenheit, die politisch oder persönlich oder beides sein kann. Welches Bild setzt sich in einem Kopf fest? Der Fußball ist deshalb so ein geeignetes Ereignis für diese Fragen, weil er zugleich ein flüchtiger Sport ist, in dem die Helden von heute in einer Woche vielleicht nur noch Ersatzspieler sind und er trotzdem so unheimlich auf Legendenbildung und Historizität baut. Dies wird auch an einer Stelle im Film thematisiert. Das Bild dieses Mannes sehen wir, aber nur das vergangene Bild. Dieses Bild wird aber wieder gegenwärtig im Film, damit belebt der Sohn die Vergangenheit des Vaters und wir erleben den Prozess dieser Wiederbelebung. In diesem Sinn ist Al doilea joc ein schöner, zärtlicher Film.

Anmerkungen: Vor längerer Zeit habe ich einen kurzen Text zum Schaffen von Porumboiu verfasst. Hier der Link