Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Three Men of Wisconsin: Johnny Guitar von Nicholas Ray

Just als man ver­ges­sen hat, wie gut ein Film wirk­lich ist, drängt er sich mit den dre­hen­den Rädern einer ste­ti­gen Erin­ne­rung zurück oder bes­ser von Neu­em in das Bewusst­sein. Ein sol­cher Film muss nicht davon leben, dass man ihn sofort nach­dem man ihn gese­hen hat, wie­der sehen will (er könn­te trotz­dem), ein sol­cher Film ist wie ein Duft, den man nie ver­gisst und immer bei sich trägt, auch wenn man ihn gar nicht rie­chen kann, so ein Film muss prin­zi­pi­ell gar nichts, er ist ein ste­ti­ger Rhyth­mus, indem sich alles dreht, immer­zu alles dreht: Das Spiel­rad, das lee­re Whis­key­glas, Joan Craw­ford mit einem Revol­ver in unse­re Rich­tung. Sie dreht sich so, dass man kur­zer­hand einen mensch­li­chen Kör­per mit einer Ele­gie ver­wech­seln könn­te. Ein Film, der einem schein­bar den kal­ten Rücken zeigt und dann voll ins Herz trifft: Die­ser Film ist John­ny Gui­tar. (play again)

Alles dreht sich in die­sem Licht des vor Far­ben pul­sie­ren­den Oze­ans von Nicho­las Ray. Ein Chip zwi­schen den Fin­gern von Scott Bra­dy als Dancin‘ Kid, ein auf dem Boden lie­gen­der Revol­ver, auf den geschos­sen wird oder Joan Craw­ford (again) als Vien­na (was für ein Name!). Immer steht sie mit ihrer Schul­ter und ihrem Rücken gegen die Musik von John­ny (Ster­ling Hay­den), der eines Tages mit einem Sturm in ihrer Bar ein­trifft, unbe­waff­net und mit jenen Sprü­chen und jenen Ges­ten (man ach­te dar­auf wie er sich vor einer Schlä­ge­rei ent­klei­det) aus­ge­stat­tet, die ein gan­zes ame­ri­ka­ni­sches Gen­re im Bruch­teil einer Sekun­de zum Kern füh­ren. Vien­na hat alles rich­tig gemacht und genau dar­aus ent­steht eine Bedro­hung. Sie ist Besit­ze­rin eine Saloons im stau­bi­gen Nir­gend­wo, aber genau durch die­ses stau­bi­ge Nir­gend­wo wird die Eisen­bahn fah­ren. Und plötz­lich wird ihr Besitz zur Bedro­hung. Der nahen­de Reich­tum wird ihr strei­tig gemacht von einer Hor­de gie­ri­ger Män­ner und einer Furie. Ihr Name ist Emma und sie ist eifer­süch­tig, weil Dancin‘ Kid auf Vien­na steht und nicht auf sie. In John­ny Gui­tar exis­tiert ein Ver­lan­gen, das nie ein­fach nur mate­ri­ell oder ein­fach nur sexu­ell ist. Es ist immer bei­des zugleich, ver­win­kelt, ver­schränkt und ja, sich dre­hend. Wie wir bald erfah­ren wer­den nach­dem der Film sei­ne kom­plet­ten Kon­flik­te in einem Gefühl von Echt­zeit im Saloon offen­legt, ken­nen sich John­ny Gui­tar, der eigent­lich John­ny Logan heißt und Vien­na von frü­her. Zwi­schen ihnen gibt es ein Geheim­nis, ein Ver­lan­gen, eine Geschich­te, doch zugleich auch einen klar for­mu­lier­ten Auf­trag. Vien­na hat den guten Mann (he wasn’t good, he wasn’t bad) zum Schutz anrei­ten las­sen, er ist „gun cra­zy“, ein ver­rück­ter, aber bril­lan­ter Schüt­ze, einer der nicht so aus­sieht, als ob, so wie vie­les im Film, denn immer wie­der dre­hen sich die Vor­zei­chen im Film. Das gilt zum Bei­spiel für die Wahr­neh­mung von Männ­lich­keit und Weib­lich­keit, die immer dort zum Vor­schein kom­men, wo man sie nicht erwar­tet hat (zum Bei­spiel in den ange­schnit­te­nen Schul­tern einer Over-Should­er Ein­stel­lung). John­ny Gui­tar ist ein Film, in dem sich Men­schen umdre­hen, um nicht ihre Lie­be ver­ra­ten zu müs­sen, zugleich ein Film über die Ver­drän­gung der Zufrie­den­heit, die in uns allen schlum­mert, um Lie­be in Hass zu ver­wan­deln. Ein Hass, der aus einer Sehn­sucht ent­steht, die nicht mehr erreich­bar scheint.

Sterling Hayden Joan Crawford

Viel fri­scher ist die­se Sehn­sucht noch in der Ban­de um Dancin‘ Kid. Dort wird nach einem Ritt durch einen Was­ser­fall (so ist das bei Ray, das ist ein Estab­lisher, Cow­boys rei­ten, aber sie rei­ten eben nicht ein­fach so vor einem schö­nen Hin­ter­grund, sie rei­ten durch einen Was­ser­fall und man darf bestau­nen wie sie sich Regen­män­tel über ihren Kopf hal­ten und dar­auf war­ten, dass die­ser Was­ser­fall eine Bedeu­tung bekommt) eine Flucht geplant. Einer der Vier ist Lun­gen­krank, man will nach Kali­for­ni­en. Die Fra­ge ist nur wie man an das not­wen­di­ge Gold kommt. Doch die eigent­li­che Sehn­sucht von Dancin‘ Kid ist Vien­na, die nicht genug bekom­men kann vom Geräusch des „spin­ning wheel“, das wie das Kino selbst läuft und klingt und in sich Träu­me und Geschich­ten ver­eint. Dar­in lie­gen die Nar­ben einer ver­lo­ren geglaub­ten Bezie­hung zu John­ny. Doch die­ser ist zurück (what took you so long?) und er will die­se Lee­re zwi­schen damals und heu­te als bösen Traum ver­ges­sen. John­ny und Vien­na küs­sen sich unter Trä­nen. Es ist der Flug eines Melo­drams, der meist endet wie Ikarus.

Haben wir schon die Far­ben erwähnt? Gel­be Kut­schen­rä­der, rote Hals­tü­cher, roter Lip­pen­stift, gel­be Hem­den, ein grü­nes Kleid bei Mer­ce­des McCam­bridge, ein grü­ner Tür­rah­men, es ist so als wür­de jeder Farb­sprit­zer für eine Erschüt­te­rung des Kinos ste­hen bei Ray. Das ist fast in all sei­nen Farb­fil­men der Fall, aber in die­ser kar­gen Wüs­te der Hoff­nungs­lo­sig­keit wir­ken die Far­ben tat­säch­lich wie der Traum nach der Frei­heit des Kinos selbst. Sie sind die­ses Begeh­ren nach etwas ande­rem, das nicht zuletzt auch im Fil­me­ma­cher schlug. Hol­ly­wood, so hör­te man spä­ter, war nicht die Welt von Nicho­las Ray. Aber es sind auch Far­ben, die nach Blut verlangen.

Dann ein Sams­tag­mor­gen in einer Bank. Vien­na und John­ny heben Geld ab, es ist die trü­ge­ri­sche Stil­le der Roman­tik danach und die Bru­ta­li­tät die­ser Welt stellt sich schon bald von Neu­em gegen die­se Lie­be als die Gang um Dancin‘ Kid aus­ge­rech­net in die­sem Moment die Bank über­fällt. Aus­ge­rech­net der jun­ge Tur­key (Ben Coo­per) bewacht den schein­bar unbe­waff­ne­ten John­ny vor dem Ein­gang. Er weiß um die Fähig­kei­ten des Man­nes mit dem Revol­ver, er hat Angst. Doch nichts pas­siert, Dancin‘ Kid ver­schwin­det mit dem Geld und in einer letz­ten ver­zwei­fel­ten Ges­te küsst er Vien­na, die ihn hin­dern woll­te und wie­der ein­mal gefan­gen ist zwi­schen ihrer Stär­ke und Schwä­che, zwi­schen dem was sie will und mit wel­chen Waf­fen sie es bekom­men kann. Nun gibt es ein Pro­blem. Die Hor­de um McI­vers und Emma will Vien­na und ihre frü­he­re Lie­be Dancin‘ Kid schon lan­ge in einen Topf ste­cken. Für Emma ist das eine Chan­ce zur Rache, für McI­vers eine Chan­ce den Saloon zu bekom­men. Nun waren Vien­na und Dancin‘ Kid gleich­zei­tig in der Bank. Im Gesicht von John­ny regt sich zugleich Eifer­sucht und Sorge.

Johnny Guitar4

Nun wird der Staub der Gewalt end­gül­tig ent­fes­selt, Trau­er­schlei­er flie­gen durch den Dreck und Emma und Kon­sor­ten begin­nen ihre Jagd auf Dancin‘ Kid und schließ­lich auch Vien­na. In einem flüch­ti­gen Moment schreit ein Mann in den Ber­gen. Wir hören sein Echo. Die Gewalt hallt jetzt über die Zeit hin­weg, die zuvor noch von Gefüh­len einer ver­lo­re­nen und wie­der­ge­fun­de­nen Lie­be beschallt wur­de. Wir hören nur noch Wut und einen Sturm. Im Däm­mer­licht erwar­tet Vien­na mit Leder­hand­schu­hen ihr Schick­sal. Explo­sio­nen sind zu hören, der Weg über den Pass wur­de gesprengt, es ist das Don­nern nahen­der Gewalt. Lang­sam bewegt sich die Kame­ra auf die Über­zeu­gung von Vien­na zu und lässt dadurch ihre Fra­gi­li­tät dar­un­ter auf­blit­zen. Die­se Blit­ze und Don­ner müs­sen natür­lich in einem Gewit­ter enden. Pfer­de tram­peln auf der Kame­ra her­um, wäh­rend wir, wie in Zab­ris­kie Point dem Rhyth­mus von Explo­sio­nen lau­schen und die durch die Luft wir­beln­de, rote Erde wie Stern­schnup­pen am Him­mel bestau­nen, die von einer unmensch­li­chen Kraft erzäh­len. Es ist die Kraft der Ver­nich­tung, die von der ers­ten Sekun­de über die­sem Film hing. Für John­ny ist der Weg aus die­ser Ver­nich­tung eine ande­re Ver­nich­tung, nur Vien­na will etwas ande­res, ihre Trä­nen spre­chen von der Unmög­lich­keit die­ses Ande­re zu errei­chen. Jetzt ver­schlie­ßen sich die auf­ge­platz­ten Nar­ben ihrer Lie­be wie­der wie von selbst. Kühl zahlt sie John­ny aus. Kei­ne Spur mehr aus der ver­gan­ge­nen Nacht wäre da nicht die­se Titel­me­lo­die, die­ses Motiv einer ande­ren Zeit und Sehn­sucht. Und wären da nicht die Schul­tern von Vien­na, die sich immer­zu umdre­hen wol­len, es aber nicht tun.

Am Was­ser­fall (den wir schon ken­nen) fällt Dancin‘ Kid und sei­nen Beglei­tern auf, dass Tur­key fehlt. Wir haben ihn bereits gese­hen, sein Hals ist vol­ler roter Far­be. Sie müs­sen wei­ter, es geht durch den Was­ser­fall hin­durch hin­ein in ein Fina­le, das uns schon frü­her durch ein musi­ka­li­sches Signal ange­deu­tet wur­de: Die Sil­ber­mi­ne. Es ist auf­fäl­lig, dass alle ver­fein­de­ten Grup­pie­run­gen unter­ein­an­der Kon­flik­te aus­tra­gen. Es geht um jedes Indi­vi­du­um, jedes Über­le­ben, jeder für sich und die Lie­be und Geld gegen alle. Die Hal­tung von Emma, der rache­durs­ti­gen Furie, leicht gebückt als wäre sie Richard III., eine Rage, die zur Hys­te­rie der Ver­fol­gung passt. Der Film wur­de von der Lei­ne gelas­sen an einem bestimm­ten Punkt und all die Nost­al­gie und Melan­cho­lie schlägt um in blan­ke Panik. Die kom­plett in schwarz geklei­de­te Trau­er­ge­sell­schaft ver­wan­delt sich spä­tes­tens mit Emmas Mono­log des Has­ses gegen Vien­na in eine Jagd­ge­sell­schaft. Boys who play with guns have to be rea­dy to die like men…

Als die nächt­li­chen Jäger an Vien­nas Saloon ankom­men, ver­mischt sich das Blut ihres Lip­pen­stifts mit dem Make-Up der Wun­de von Tur­key. Es ist nicht ein­fach nur Nacht gewor­den bei Nicho­las Ray. Es ist eine emo­tio­na­le Fins­ter­nis und eine Erwar­tung in der Dun­kel­heit. Und dann pas­siert es. Emma stürmt als ers­te den Saloon (viel­leicht tut sie es gar nicht, aber in mei­nem Kopf muss sie es tun) und in einem wei­ßen Kleid sitzt Vien­na am Pia­no und spielt jene Melo­die des Her­zens, wür­de­voll und stolz ihr weiß gegen das schwarz von Emma. Wel­cher Wind weht durch die­sen Augen­blick! Und dann bre­chen aus Vien­na alle Unge­rech­tig­kei­ten, die ihr in die­sem Ame­ri­ka wider­fah­ren, einer Welt – nicht so fremd von unse­rer – in der Besitz und Natio­na­li­tät komi­sche Gemein­sam­kei­ten bekom­men haben im Den­ken der Men­schen. Doch Ray muss den Schock des Ver­rats insze­nie­ren, er ver­rät sei­ne Figur, um sie zu stür­zen. Tur­key fällt und macht sich bemerk­bar. Er lügt, um sei­ne Haut zu ret­ten und ver­rät damit Vien­na als mit­schul­dig am Bank­raub. Ray zeich­net hier gna­den­los die Metho­den einer Ver­fol­gung, die in jener Zeit in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten an der Tages­ord­nung waren. Es sind die­se Sze­nen, in denen das pure Kino von Ray in den ideo­lo­gi­schen Bewa­chern der reprä­sen­ta­ti­ven Mög­lich­kei­ten des Kinos sei­ne Befür­wor­ter fin­det. Dabei grei­fen die­se Sze­nen weit über ihr poli­ti­sches Gehalt hin­aus, denn wenn man auf die Gesich­ter der Klä­ger blickt, dann spie­len sich hier weit mehr Emo­tio­nen ab, als dass man die­se allei­ne im Poli­ti­schen grei­fen könn­te. Allei­ne die Hal­tung von Tur­key deu­tet auf eine reli­giö­se Kon­no­ta­ti­on hin, sei­ne Arme weit aus­ge­streckt, er wird gekreu­zigt, trotz oder gera­de wegen sei­ner Ver­leum­dung. Die Unschuld selbst sitzt im Hin­ter­grund in Weiß und erträgt das Gesche­hen, ängst­li­cher Schweiß steht im Gesicht von McI­vers. Es ist eine all­ge­mei­ne Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit, die sich letzt­lich nur in jener Sinn­lich­keit ent­fal­ten kann, die Ray in jeder die­ser Sekun­den ent­fes­selt. Was wir sehen, ist nicht eine poli­ti­sche Para­bel son­dern die pure Prä­senz ihrer Bedeutung.

Johnny Guitar3

Es kommt zu einer Schie­ße­rei. Tom, der Vien­na ret­ten will, stirbt. Er sagt, dass alle ihn anse­hen wür­den. Es wäre zum ers­ten Mal, dass er sich wich­tig füh­le. Jetzt ist er völ­lig da im Kino von Ray, weil er in eben­die­sem ver­schwin­det. So ist es bei die­sem Fil­me­ma­cher. Und weil es so ist, muss der Saloon auch bren­nen. Emma ent­flammt ihn. Die Furie, ihr Schat­ten in den Flam­men, das Gewit­ter, die Explo­si­on, die Musik ist auch ent­facht, ein Rausch der emo­tio­na­len Gewalt. Es ist klar, dass sie sich dreht im Moment ihrer größ­ten Bös­ar­tig­keit, als ein Lachen der Zer­stö­rung über ihr Gesicht fällt. Alles dreht sich. Tur­key wird gehängt. Erstaun­lich die Ver­zö­ge­rung in der Reak­ti­on von Vien­na und auch bemer­kens­wert das Ent­set­zen auf den Gesich­tern der Täter. In der Fol­ge soll Emma auch gehängt wer­den. Emma besteht dar­auf. Aber nie­mand will es tun. Sie schreit, dass sie 100 Dol­lar bezah­len wür­de, wenn es jemand erle­di­gen wür­de. Ihre Stim­me bekommt ein Echo aus den abge­kühl­ten Fels­wän­den der Nacht. Es ist ein ein­sa­mer Schrei, ein ver­zwei­fel­ter Schrei und es ist die Täte­rin, die hier nach Hil­fe schreit. Emma muss es selbst erle­di­gen, aber John­ny (my John­ny) hat die Schnur durch­trennt. Gemein­sam rei­ten John­ny und Vien­na durch die Nebel­schwa­den der Kino­nacht. Sie ver­ste­cken sich. Why did you come back?-First chan­ce I ever could have been a hero.

Jetzt zeigt Ray wie man einen Raum fil­misch dyna­mi­siert. Zuerst glau­ben wir, dass sich Vien­na und John­ny in einem klei­nen, engen Ver­steck befin­den. Eine nahe Kame­ra­po­si­ti­on, links und rechts ist geschlos­sen, kei­ne Bild­tie­fe. Dann plötz­lich ein Schnitt, ein Schwenk, wir befin­den uns in einem gan­zen unter­ir­di­schen Sys­tem, Gän­ge ver­lau­fen dort und dort hängt auch Wäsche. Vien­na rennt zur Wäsche und von oben bricht plötz­lich ein bren­nen­des Stück in das Ver­steck. Vien­nas Kleid fängt Feu­er und wäh­rend am unte­ren Bild­rand die Flam­men tan­zen, löscht John­ny die Flam­men in einer Hys­te­rie, die jetzt kei­ne Sicher­heit mehr zulässt. In ihr besteht die unter all der Gewalt trei­ben­de Eifer­sucht und wäh­rend sich Vien­na end­lich in ihr Rot klei­det (ihr Rot, weil ihre Lip­pen danach lech­zen seit sie zum ers­ten Mal auf der Lein­wand erscheint), gesteht sie John­ny in ihrer typi­schen Art ihre Lie­be. Ray trennt die bei­den Prot­ago­nis­ten räum­lich in die­sem Dia­log, aber als sie in das Bild kommt, gibt es die­se Sekun­de einer Sicher­heit, die John­ny und die Lie­be leben lässt. Am Ende der Nacht flie­hen die zwei Lie­ben­den durch die Müdig­keit des Tages­lichts. Sie schwim­men (lächeln) und ren­nen durch den Was­ser­fall. Es ist erstaun­lich wie schnell und explo­siv Ray sei­nen Rhyth­mus vari­ie­ren kann, ohne dabei die See­le sei­nes Films zu ver­let­zen. Das liegt unter ande­rem dar­an, dass die See­le von John­ny Gui­tar in der puren Bewe­gung liegt. John­ny und Vien­na kom­men an der Sil­ber­mi­ne an. „All dres­sed up and loo­king migh­ty dan­ge­rous“, ein Dia­log­fet­zen aus dem Film, der auch als Beschrei­bung des­sel­ben her­hal­ten wür­de. Noch­mal ein eifer­süch­ti­ges Abtas­ten zwi­schen Dancin‘ Kid und John­ny Logan, Logan ist der Name, wie auch der schlu­cken­de Tän­zer fest­stel­len muss. Es ist beacht­lich, dass wir hier einen Wes­tern­hel­den haben, der tat­säch­lich mehr mit Gene Kel­ly als mit John Way­ne zu tun hat. Viel­leicht kann er des­halb auch nicht der wirk­li­che Held sein, aber man­ches an ihm könn­te. Er dreht sich, ein Kampf mit John­ny, sie umkrei­sen sich. Die unbe­hol­fe­ne Rau­heit eines her­zens­gu­ten Man­nes gegen die ele­gan­te Angst eines undurch­schau­ba­ren Man­nes. In der Zwi­schen­zeit fin­den die Ver­fol­ger mit Hil­fe des Pfer­des von Tur­key das Ver­steck. Sie schrei­en durch das Echo der Berg­wand, sie wür­den nur reden wollen.

Schließ­lich ent­fes­selt sich die Häss­lich­keit eines moral­lo­sen Über­le­bens­kamp­fes im durs­ti­gen Staub über den cha­rak­te­ris­ti­schen Hügeln des Gen­res. Emma ent­lädt ihre Frus­tra­ti­on auf das Glas hin­ter Vien­na. Sie darf noch nicht tref­fen, denn die Angst muss jeder­zeit greif­bar sein hier. Emma wird tref­fen, sie wird getrof­fen, sie fällt. Whe­ter you go, whe­ter you stay, I love you. Am Ende sehen John­ny und Vien­na so aus als wür­den sie am liebs­ten die­se Welt ver­las­sen: The­re was never a man like my John­ny, like the one they call John­ny Gui­tar.

Bei einem sol­chen Film stellt sich durch­aus die Fra­ge, ob man mehr den Mythos dar­um liebt als den Film selbst. Es ist John­ny Gui­tar, das bedeu­tet auch die Lie­be von Jean-Luc Godard, João Bénard da Cos­ta oder Jean­ne Bali­bar. Lan­ge Zeit hat­te ich den Film nicht gese­hen und war mit den Wor­ten und der Musik die­ser Ver­mitt­ler und Künst­ler allei­ne geblie­ben, in ihrer eupho­ri­schen Zunei­gung hat sich auch bei mir das Bewusst­sein jenes Films wei­ter­ent­wi­ckelt. Jedoch konn­te mich tat­säch­lich nichts auf die tat­säch­li­che Begeg­nung mit jener Bewe­gung vor­be­rei­ten. John­ny Gui­tar ist ein Film über den man gera­de des­halb ins Schwär­men gerät, weil man immer wie­der von sei­ner Prä­senz über­rannt wird, eine Prä­senz, die in einer Lie­be auf­geht, für die es kei­ne Wor­te gibt. Viel­leicht ist es die Titel­me­lo­die, die wie ein Echo die Bil­der jagt und von jener Ebe­ne erzählt, die nicht nur zwi­schen den Figu­ren statt­fin­det son­dern schließ­lich auch zwi­schen dem Film und dem Zuse­her und dadurch am ehes­ten jenem Gefühl Aus­druck ver­lei­hen kann, das so viel Schön­heit in sich trägt. Ein Film, in dem sich alles dreht.