Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Amour Fou von Jessica Hausner

Viennale 2014: German Love: Amour Fou von Jessica Hausner

Heu­te Abend eröff­net Amour Fou von Jes­si­ca Haus­ner die Vien­na­le. Pre­miè­re fei­er­te der Film in der Un cer­tain regard Sek­ti­on der dies­jäh­ri­gen Film­fest­spie­le in Can­nes. In einer ganz bit­te­ren Iro­nie erzählt die Regis­seu­rin dar­in wie Hein­rich von Kleist, einer jener gro­ßen deut­schen Dich­ter und Den­ker, ein Roman­ti­ker, fata­ler Roman­ti­ker, bestechen­der Prag­ma­ti­ker, die­ser Mann, eine Part­ne­rin nicht zum Leben sucht, son­dern zum Ster­ben. Nach lan­ger ver­geb­li­cher Mühe fin­det er in der Ehe­frau eines Bekann­ten, Hen­ri­et­te Vogel, eine mög­li­che Partnerin.

Die deut­sche Lie­be, so vol­ler Fata­li­tät und Nüch­tern­heit, so vol­ler Ver­nunft und doch schlägt in ihr ein Herz, ein absur­des Herz. Man denkt an Wir sind Hel­den (auch wenn man sie nicht hören muss):

Auré­lie die Män­ner mögen dich hier sehr
Schau auf der Stra­ße schaut dir jeder hinterher
Doch du merkst nichts weil sie nicht pfeifen
Und pfeifst du selbst die Flucht ergreifen
Du musst wis­sen hier ist weni­ger oft mehr

Ach Aure­lie in Deutsch­land braucht die Lie­be Zeit
Hier ist man nach Tagen erst zum ers­ten Schritt bereit
Die nächs­ten Wochen wird gesprochen
Sich aufs Gründ­lichs­te berochen
Und erst dann trifft man sich irgend­wo zu zweit

Amour Fou von jessica Hausner

Sel­ten hat man die­se zärt­li­che Gefühls­käl­te der­art gekonnt, weil komisch, sowohl im Sinn von lus­tig als auch merk­wür­dig, gese­hen. Dabei füht Haus­ner mit sub­ti­len und tona­len Spit­zen einen absurd-prä­zi­sen Kampf gegen die eige­ne Form und lässt gera­de dar­aus so etwas wie ein fil­mi­sches Pen­dant für die Fata­li­tät der Hand­lung ent­ste­hen. Das Erschre­cken­de scheint, dass die­se Art des Aus­drucks nicht nur ein his­to­ri­scher ist (auch wenn daher natür­lich die meis­ten Manie­ris­men der Figu­ren rüh­ren) son­dern ein deut­scher. Amour Fou ist-wie man das so macht im öster­rei­chi­schen Kino-ein Tableau­film. Nur, dass es hier die Bil­der einer Zeit sind, die in den gemäl­de­ar­ti­gen, ent­leer­ten Décors und in den stei­fen Per­so­nen­kon­stel­la­tio­nen zu Tage tritt. Wie Éric Roh­mer in sei­nem Die Mar­qui­se von O… evo­ziert die Bild­spra­che eine Zeit und ein Gefühl für die Kunst und Welt­sicht jener Zeit. Aber das Echo davon hallt heu­te beson­ders stark. Auch ist der Film äußerst ver­traut mit dem Werk von von Kleist. Fast zu ver­spielt zitiert der Film nicht nur Inhal­te son­dern auch sprach­li­che Eigen­hei­ten des Autors.

Haus­ner erzählt von den feh­len­den Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Men­schen, den Merk­wür­dig­kei­ten, die in einem selbst ver­har­ren statt her­aus­zu­plat­zen. Mora­li­sche Fra­gen wer­den in die­ser Welt in ihr Gegen­teil ver­kehrt. Ein Selbst­mord als gemein­sa­me Tat ist dabei einer der gro­ßen para­do­xen Aspek­te des Films. Von Kleist erhöht den Moment größ­ter Ein­sam­keit zur abso­lu­ten Zwei­sam­keit. Aus die­sem Wider­spruch zit­tert sich lang­sam eine all­ge­mei­ne Wider­sprüch­lich­keit zwi­schen Zunei­gung und Respekt (die­se wird beson­ders ein­drucks­voll in der Drei­ecks­form des Schlaf­zim­mers von Hen­ri­et­te und ihrem Gat­ten eingefangen).

Amour Fou von Jessica Hausner

Dabei defor­miert die Regis­seu­rin ihre Bil­der hin zu einer bizar­ren Wahr­neh­mungs­ver­schie­bung im Zuse­her. Am poe­tischs­ten gelingt ihr dies gegen Ende, wenn der groß­ar­tig auf­spie­len­de Ste­phan Gross­mann (schon lan­ge habe ich kei­nen deut­schen Schau­spie­ler mehr der­art nuan­ciert gese­hen) als Vogel kurz nach­dem er das Dra­ma besich­tigt einen Blick auf den See wagt. Die Bana­li­tät die­ser Ein­stel­lung und die Span­nun­gen zwi­schen inne­ren und äuße­ren Wel­ten, die dabei ent­ste­hen, erin­nern an jene Ein­stel­lun­gen von Bru­no Dumont wie etwa am Ende sei­nes La Vie de Jésus, in denen gera­de durch die Nor­ma­li­tät eine Beun­ru­hi­gung ins Spiel kommt.

Der roman­tisch­te Film über die Lächer­lich­keit von Roman­tik, den ich gese­hen habe.