Wenn niemand ins Schafbergbad kommt, schwimmen die Krähen im Pool. Aufsichtspersonen in weißer Kleidung beaufsichtigen sie, weiter haben sie nichts zu tun. Sollte eine Krähe ertrinken, springt der Bademeister heroisch ins Wasser, er ist Vogelliebhaber und würde sein Herz für die Krähen geben. Vorhin war noch ein Rentner da, aber der hat sich nur in der Sonne gewälzt. Jetzt schwimmen die Krähen vergnügt wie schwarze Enten und wir sitzen auf einer Liege und du liest mir eine Stelle aus einem Buch von Čechov vor: Die Zeit war unbemerkt verflogen, also war das Leben schön und leicht gewesen. Ich schaue auf die Uhr. Du lachst und sagst, ich müsste das Unbemerken noch einmal von Neuem lernen.
Der Eintritt ist billiger, weil niemand da ist. Wenn niemand kommt, machen sie früher zu, hast du mir erklärt. Dann schwimmen die Krähen unbeaufsichtigt und manche rutschen sogar durch diese Plastikröhren, die Kinder so gern haben. Ich weiß nicht, das ist alles sehr schön, sehr betulich, nicht? Ein bisschen zu weit weg vom Leben. Das Bad wurde in den 1970er Jahren umgebaut und in den Zustand gebracht, in dem es heute noch ist. Jedenfalls ist die Zeit an diesem Ort unbemerkt vorübergegangen. 2017 ist einer ertrunken, 2007 auch. Das passiert also alle zehn Jahre. Lass uns Schwimmen gehen 2027 und ein Eis essen oder Pommes, die auch in der Fritteuse brutzeln, wenn gar keiner hier ist.
Was man in einem leeren Freibad noch unternehmen könnte:
Wespenzählen, den Fantasien frönen, Buchseiten an Bäume heften, Himbeeren pflanzen, am Grund des Pools nach ausgestorbenen Fischen tauchen, nichts.
Wenn man ertrinkt, hast du gesagt, findet ein Kampf zwischen der Panik und der Selbstaufgabe statt. Solange die Panik noch um sich schlägt, lebt man. Die Selbstaufgabe ist eine Ruhe, beinahe meditativ, jedenfalls pures Glück, weil man der Panik entkommen ist. Wir leben im Zeitalter der Panik und warten auf die Flut, die uns erlöst. Du magst solche Gedanken nicht. Du magst nur das, was da ist. Die Krähen beispielsweise. Schau nur, wie sie schwimmen.