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„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

WdK Tag 2: Woher kommen die Bilder? Reden über ein ‚drittes‘ Kino.

Abba T. Makamas Film Green White Green ist eine Seltenheit in der nigerianischen Filmszene, erfahre ich in der Diskussion nach dem Film. Wenige würden sich trauen, jüngere nigerianische Geschichte und deren vielfache Identität in einem Film zu verhandeln. Ich kenne die jüngere nigerianische Geschichte genauso wenig wie die ältere, auch mit der Kultur des Landes bin ich nicht vertraut. Während des Gespräches zwischen dem nigerianischen Regisseur Abba T. Makama, dem nigerianischen Filmhistoriker und Regisseur Didi Cheeka, der deutschen Regisseurin Jutta Brückner und dem Filmkritiker Nino Klingler, frage ich mich immer wieder: darf ich eigentlich etwas zu diesem Film sagen?

Aber natürlich ist so eine Frage in sich problematisch: was weiß ich denn schon von … z.B. Taiwan? Trotzdem habe ich mir nach einem Film von Hou Hsiao-Hsien noch nie die Frage gestellt, ob ich darüber reden darf; dass ich kann ist damit natürlich nicht gesagt. Ich scheine also im Unterschied zu ‚asiatischem‘ Kino, bei dem ich nur gelegentlich bezweifle, dem einzelnen Film gerecht werden zu können, in Auseinandersetzung mit ‚afrikanischem‘ Kino vor einer moralischen Frage zu stehen, die selbst höchst zweifelhaft ist: darf ich überhaupt? Entsteht diese Frage aus westlichen Schuldgefühlen aufgrund einer andauernden Kolonialgeschichte? Auf dieser Grundlage einen Unterschied zwischen asiatischem und afrikanischem Kino zu machen, wäre ziemlich willkürlich, es gibt auch in Asien eine Kolonialgeschichte, eine Geschichte von westlicher Unterdrückung und Kulturimperialismus. Genug Gründe, eine Barriere zu spüren. Aber halt, nochmal einen Schritt zurück. Eine Barriere wovor? Vor einem, durch geographisch charakterisierte Begriffe wie ‚asiatisch‘ oder ‚afrikanisch‘, notdürftig zusammengeschweißten Block von Filmen? Da hat sich ein Denken verkehrt: es sollte den Film zuerst – nicht zuletzt – als Einzelnen wahrnehmen, um ihn im Anschluss in Beziehungen setzen zu können zu anderen Filmen und so möglicherweise zur Idee einer nationalen Kinematographie, eines Genres, überhaupt eines spezifischen Geflechts von Filmen zu kommen. Um also erst die Idee eines ‚dritten‘ Kinos entwickeln zu können, muss man über den Einzelnen Film reden dürfen; und hieße sich einer Einschätzung zu enthalten nicht, den Film, das Werk, die Arbeit nicht ernst zu nehmen? Ist dieser paternalistische Schutzimpuls nicht schon eine neokoloniale Geste?

Green, White, Green Still II

Aus einem anderen Grund mag es verständlich sein, warum ich glaube, mit einem ‚asiatischen‘ Kino sicherer umgehen zu können: ich habe es kennengelernt, einige asiatische Filme gesehen, ein Gefühl für ein mögliches Geflecht von trotz allem disparaten filmischen Positionen entwickelt. Kino aus Afrika, ‚drittes‘ Kino überhaupt, ist quasi Neuland für mich. Wo kriege ich meine Maßstäbe her, ohne das Wissen um eine Tradition, ohne etwas gesehen zu haben? Diese Frage ist eng mit einem Problem verknüpft, das bereits auf der Konferenz „Lost in Politics“ am Mittwoch angesprochen wurde: was erwarten wir von einem ‚dritten‘ Kino? Erwarten wir ein dissidentes Kino, das schonungslos die gesellschaftlichen und kulturellen Probleme in der Heimat anprangert, die ja so neu für uns sind und die wir trotzdem immer schon kennen? Erwarten wir eine eigene Ästhetik, eine unabhängige und neue Filmform, deren Wurzeln sich, wie genau auch immer, in den ästhetischen Traditionen des Kulturraums finden lassen? Wer kann denn nigerianischem Kino verbieten, Superhelden Filme zu machen? Müsste ich diese dann genauso ablehnen, wie ich amerikanische Superhelden Filme ablehne?

Bei so vielen Fragen hilft vielleicht noch eine zusätzliche Frage weiter, die Godard oder auch Farocki immer wieder an uns richten: Woher kommen die Bilder? So lassen sich die geo- und kulturpolitischen, also historischen Fragen für einen Moment in den Film, in einen filmischen Diskurs hinein verlegen, wo sie selbst zum Maßstab der Bilder werden, die sie hervorbringen. Wo kommen Bildtypen und Inszenierungsstrategien her? Wer hält die Diskursmacht über diese Bilder? Ist ihr Bezug zu ihrer Herkunft linear, reflektiert oder gebrochen? Produzieren die Bilder einen Überschuss, der sich nicht mehr in Abhängigkeit von anderen verstehen lässt, der ’neu‘ ist?

Wichtig ist, denke ich, die Frage: „Darf ich eigentlich etwas dazu sagen?“ nicht auf einzelne Filme zu beschränken, sondern den Zugang zu jedem Film mithilfe dieser Frage nicht als gegebenen, sondern als notwendig herzustellenden, immer instabilen zu verstehen; und eben auch als moralische Entscheidung, die Machtverhältnisse impliziert.

Vielleicht schulde ich dem Film, der diese Überlegungen ausgelöst hat – aus Gründen der Ehrlichkeit – erst einmal so anzufangen wie sonst auch, mit einem vorläufigen impulsiven Urteil, das ein weiterdenken ermöglicht: Ich mochte Green White Green nicht.