Im Zürcher Dörfli rettet ein kleines Buchgeschäft die Würde der geschmacklos von Glitzer überzogenen Flaniermeile. Es ist schon Abend, ich möchte eigentlich ins Hotel, der Tag war lang. Du aber gehst auf das Geschäft zu, siehst im Schaufenster Einbände, die dir gefallen. Wir lesen ein kleines Schild, der Laden hat noch zehn Minuten geöffnet.
Du gehst rein, ich hinter dir. Die Tür fällt zu, ich glaube es klingelt, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein. Ich denke noch an die erquickende Stille, die einen an solchen gegen die Zeit gerichteten Orten entgegentritt, da pinkelt ein zotteliger Hund vor uns auf den Teppich. Erschrocken springt der so kurz vor seinem Feierabend müde dreinschauende Buchverkäufer hinter seinem Tisch hervor, er entschuldigt sich, der Hund sei alt, wisse nicht mehr so recht, ob er draußen oder drinnen wäre. Er rollt den Teppich ein und trägt ihn mitsamt des Hundes nach draußen. Mir fällt auf, dass es trotzdem nicht nach Hundepisse stinkt, es riecht nach Büchern.
Du schaust dich mit großen Augen um. Weißt du, woran man eine gute Buchhandlung erkennt? Es gibt mehr Bücher als Regale. Wir verlieren uns zwischen den Wörtern, die wir noch nicht kennen. Du weißt nicht, ob wir uns ein Buch leisten können, aber du fühlst dich wohl, wenn nur die Möglichkeit besteht.
Später gehen wir noch ein bisschen im Abendlicht umher. Die zehn Minuten im Buchgeschäft haben den Tag verjüngt. Wir haben mindestens so viele Möglichkeiten, wie es ungelesene Bücher gibt. Du siehst das Geburtshaus von Gottfried Keller, daneben ein Spirituosengeschäft. Die Literatur, sagst du, beginnt immer dort, wo sie unmöglich geworden ist. Ich widerspreche dir. Sie beginnt einfach dort, wo jemand liest. Du widersprichst mir. Nein, sagst du, sie beginnt dort, wo jemand lesen möchte.
Ich habe dir ein Buch gekauft im Buchgeschäft. Aber das hat nichts damit zu tun.
Dein Patrick