Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Zum Ende von Leben – BRD von Harun Farocki

Nach schleifenartigen Bewegungen im Simulacrum einer anvisierten Optimierung und Sicherheit endet Harun Farockis Sittenbild westdeutscher Sentimentalitäten, Leben – BRD mit einer Pause. Die Arbeitnehmer, viele von ihnen mit dem klassischen Vokuhila der späten 1980er Jahre,  versammelt um einen Tisch, werden in eine kurze Pause entlassen. Man könnte sagen, dass der Film dort endet, wo das Kino beginnt, wenn die Arbeiter die Fabrik verlassen. Allerdings ahnt man bei Farocki, dass sie wieder zurückkehren werden. Zu beiläufig erscheint der Titel, der ein Ende nur vortäuschen kann. Den Augenblick der Freizeit, der so eng mit dem Kino in Verbindung steht, lässt er aus. Man fragt sich wie er aussehen würde. Man fragt sich, ob es eine Welt jenseits des Simulacrums gibt. Ein Picknick im Freien wie bei Renoir. Spare Time von Humphrey Jennings.

Stattdessen ist sein Kino eines der ständigen Anwesenheit, denn der Film zeigt eine Welt, in der das Leben wie das Kino ist. Man denkt an La Maman et la Putain von Eustache. Darin beschreibt Jean-Pierre Léaud wie das Kino einem Dinge fürs Leben beibringen könne, zum Beispiel wie man sein Bett mache. Ein Modus der Gebrauchsanweisung hat sich in jede Faser in Leben – BRD eingeschrieben. Wie bekommt man ein Kind, wie rettet man Leben, wie wäre es wohl, wenn ein Panzer über diesen Hügel gerollt käme? Farocki fügt unterschiedliche Strategien dieser „Als Ob“-Kultur zu einem Mosaik, unter das – das macht er bereits im ersten Bild klar – auch Begehrens- und Alltagsformen längst subsumiert wurden. Leben – BRD zeigt auch wie lächerlich der dystopische Hauch in einem Film wie eXistenZ von David Cronenberg anmutet. Man muss doch nur sehen, was vor der Haustür (nicht) passiert. Fehler scheinen tödlich und Pausen eigentlich auch. In diesem Sinn erzählt das Ende des Films tatsächlich von einem möglichen Ausbruch.

Spannend daran ist auch, dass die Abstrahierung des Lebens, die im Film beschrieben wird, gleichermaßen von ihm umarmt wird. Die Bilder der Simulierenden erzählen von einer Befreiung der Darstellung menschlicher Tätigkeiten. Es ist hier nicht so, dass eine Person so handelt, als ob sie etwas sei. Vielmehr filmt die Kamera wie eine Person so handelt, als ob sie etwas sei. Ein immenser Unterschied, der das Kino und auch das Theater möglich macht eben kurz bevor es beginnt. Damit reiht sich Leben – BRD in die wunderbare Welt jener Filme ein, die vom Beginn des Kinos erzählen. Nicht 1895 sondern jeden Tag.