Balkanrouten: Zur Sensibilität zweier Filme

Casanovagen von Luise Donschen

Kinder spielen im Wald. Sie rupfen ein paar Blätter, reißen Moos aus, um es an einen anderen Ort zu verpflanzen – finden einen Regenwurm. Eine Bildfolge von Händen die sich die Natur aneignen in sie eingreifen. Eine Szene in Casanovagen die mich trotz ihres Herausfallens aus der engeren Erzählung beim öfteren Sehen besticht. Natürlich wäre da meine eigene Kindheit am Land als einfache Erklärung der Faszination. Großaufnahmen von Händen, die etwas tun, machen, handeln – ein Topos der Kinogeschichte – meine Liebe zu Bresson ebenso. Aber da ist noch mehr – die Episode schafft es für mich Taktilität zu vermitteln, man sieht die Kinder zugreifen und erinnert sich wie Moos sich anfühlt. Eigentlich eine ganz einfache Verkettung von Filmbildern und deren immersiven Qualitäten – und doch scheint es mir viel mehr ein Ausdruck eines Filmens, dass es schafft eine Sensibilität gegenüber dem Gefilmten zu bewahren.

Casanovagen von Luise Donschen und Drift von Helena Wittmann wagen etwas. Eine Eigenschaft die viel zu oft abgängig ist im gegenwärtigen Kino. Immer ein bisschen im Begriff an der eigenen Konstruktion – an der Idee eines Films und dessen assoziativer Offenheit zu scheitern, stellen beide Filme Versuche des Beobachtens, des Hinschauen und des Abwartens dar. Beide Filme lassen etwas zu – nicht wie man es aus dem Amateurfilm oder dokumentarischen Formen gewöhnt ist durch eine Zufälligkeit in der die Dinge einfach so geschehen und sich fortspinnen – kein einfach draufhalten – dafür sind beide Filme zu fein und sorgsam zusammengesetzt. Wenn hier etwas zugelassen wird, dann durch die Eigenschaft einen gezielten Blick auf die Welt zu werfen. Ein Blick der Räume öffnet – die gefilmten Bilder durchschreitet. Essayistische Denkräume der Reflektion, Bildräume komplexer Beziehungen von Mensch und Natur, sowie politische Möglichkeitsräume des Nicht-Essentiellen – des Dazwischen. So stehen beide Filme zwischen den Spielarten des Kinos, wie zwischen ihrer präzisen Konstruktion und ihrem Hang zum Loslassen. Ein Driften das die Blicke bündelt, konzentriert und sich doch frei anfühlt.

Wir zeigen beide Filme gemeinsam am Mittwoch, den 13. März um 20:15 Uhr im Filmhaus am Spittelberg im Rahmen unserer Reihe Balkanrouten.