Niedzielne igraszki von Robert Gliński endet mit einem Freeze Frame. Die Kamera filmt aus dem Innenhof eines städtischen Wohnhauses hinaus auf die Straße, wo ein großes Plakat von Josef Stalin angebracht ist. Wir schreiben das Jahr 1953, Stalin ist soeben gestorben, das Wohnhaus steht in Warschau und ist noch immer vom Krieg gezeichnet. Der Film verlässt den Hinterhof nie, nur einzelne Personen, die nach draußen gehen oder von außen kommen, zeugen von der Existenz einer Welt außerhalb.
Am Anfang des Films herrscht Hektik. Die Familien machen sich bereit an diesem Sonntag auszugehen. Die einen gehen in die Kirche, die anderen zum Trauerzug für den sowjetischen Obergenossen. Nur wenige bleiben zurück: einige Kinder, die sich vor den sonntäglichen Verpflichtungen gedrückt haben oder von ihren Eltern nicht mitgenommen wurden, eine verrückte Frau, ein Babykätzchen. Draußen geben sich die Repräsentanten des sozialistischen Polens staatstragend, ein erheblicher Teil ihrer Mitbürger sucht in den verpönten Kirchen, drinnen bilden die Kinder einen eigenen gesellschaftlichen Mikrokosmos. Dieser ist mindestens ebenso von Intrigen, Misstrauen und Verleumdung durchsetzt, wie die Außenwelt – statt eines neuen besseren Menschen, züchtet das pervertierte Terrorsystem kleine Spitzel, Mitläufer und Monster heran.
Brüchiger Sozialrealismus
Ästhetisch bleibt der Film zunächst den sozialrealistischen Parteivorgaben treu: Im Hinterhof lebt die Arbeiterklasse, die nüchterne Schwarzweißfotografie fängt ihren Alltag ein. Der Alltag, das sind an diesem Sonntagvormittag die Spiele der Kinder. Was sind das für Spiele? Man spielt „Statue“, die Kinder nehmen heroische Posen ein und wer sich als Erster bewegt verliert, man tollt im abgesperrten, bombengeschädigten Nebenhof umher, kümmert sich um eine verwaiste Babykatze, man übt sich im Exerzieren. Es herrscht militärischer Befehlston, wie ihn die Kinder aus Jugendorganisationen, Kino und Elternhaus kennen und eine klare Hierarchie. Ganz oben in der pseudo-militärischen Hackordnung steht Józek, ein dicklicher Junge und glühender Sozialist, weit darunter Rychu, Sohn des Hausbesorgers, ganz unten ein namenloses Mädchen, das gar nicht erst an den Spielen teilnehmen darf.
Viel von der Dynamik des Films hängt an diesen drei Figuren. In ihrer kindlichen Parallelwelt ist ihnen ein fester Platz zugewiesen, der zunächst scheinbar mit ihren Familienverhältnissen korrespondiert. Józeks Vater ein Militär, Rychus Vater ein in Ungnade gefallener Widerstandskämpfer, das Mädchen ein nicht zuordenbares Störelement. Nach sozialrealistischem Schema F würde man nun jeder dieser Figuren ein bestimmtes Verhalten zuordnen: gesellschaftliche Position, so sahen das die sozialistischen Granden gerne, hat mit Tugend und Moral zu tun.
Verkehrte Welt
An dieser Stelle widersetzt sich Niedzielne igraszki dem parteiideologischen Konsens. Rychu erfüllt noch am ehesten seine Rollenvorgaben. Er hat ein gutes Herz, wehrt sich gegen Józeks Alleinherrschaft, aber wenn es hart auf hart kommt, ist er Opportunist genug, um seinen Widerstand aufzugeben und sich unterzuordnen, um nicht gesellschaftlich geächtet zu werden. In letzter Konsequenz fügt er sich dem Gruppendruck und nicht einer höheren Moral, denn der Gruppendruck, und das ist eine weitere Bruchstelle des Films, ist nie ein positiver. Er zeugt nicht von der moralischen Überlegenheit der Gemeinschaft über den Einzelnen, sondern bringt, im Gegenteil, das Schlechte in ihnen zum Vorschein.
Das liegt vor allem am Wortführer dieser Gemeinschaft. Józek zeichnet sich nicht nur durch sozialistischen Eifer aus, sondern vor allem durch autoritären Führungsstil und einen Hang zu martialischer Grausamkeit. Er vereint ein großes Mundwerk, Selbstgefälligkeit und fehlendes Rückgrat – der Film zeichnet ihn als idealtypischen Funktionär. Józek ist es schließlich auch, der Rychu, dem Verlierer des Statuenspiels, befiehlt das Katzenbaby zu erwürgen, um Teil der Spielgemeinschaft zu bleiben. Alle Kinder unterstützen ihn bei dieser Forderung. Rychu weigert sich zunächst, ist aber im Begriff sich der Masse zu beugen, als das namenlose Mädchen die Katze rettet. Eine Hetzjagd beginnt. Nicht die erste im Film, denn schon zuvor hat das Mädchen einige Male korrigierend eingegriffen, als sich der Sadismus der Gruppe entladen hat.
Die Intervention kostet sie schließlich das Leben. Sie wird von den anderen Kindern lebendig begraben. Die Einzige im Gemeinschaftsverbund, die sich nicht der irren Gewaltherrschaft unterordnet wird von den Anderen zum Schweigen gebracht. Ein bitterer Schlusspunkt und eine noch bittere Lektion. Die Allegorie hat ihr Ende gefunden. Eine einstündige Miniatur des sozialistischen Polens und doch schlagfertig genug, um verboten zu werden: Niedzielne igraszki durfte erst 1988, vier Jahre nach seiner Fertigstellung, erstmals gezeigt werden.