Il Cinema Ritrovato Tag 3: Heiß wie ein Vulkan

Andreas tanzt beinahe fehlerfrei den Tony Holiday Tanze Samba Mit Mir-Tanz aus Gouttes d’eau sur pierres brûlantes von François Ozon und schenkt uns damit die offizielle Hymne für Bologna. Das Apartment ist in Aufruhr nach einem langen Tag mit Mauritz Stiller, Abel Gance und vor allem der Potenz von Marlon Brando.

Wobei ich zugeben muss, dass mir die Musik, die unter den sowieso sehr gelungenen Trailer gelegt wurde sehr zusagt. Ein weiterer Filmemacher, der im Namen der Heiligen Maria und Gott sei Dank nichts auf diesem Festival verloren hat, ist Paolo Sorrentino, der den Remix dieses Liedes ja zu Beginn seines La grande bellezza über die Bilder gespritzt hat, damit man kurzzeitig vergisst wie wenig der Mann zu zeigen hat. Dennoch finde ich ihn auf dem Festival und zwar auf der durchaus gelungenen Lumière-Ausstellung, in die ich irritierenderweise als einziger der Gruppe kostenlos komme. Am Ende der Ausstellung haben Filmemacher wie Michael Cimino, Jerry Schatzberg oder Quentin Tarantino die aus der Fabrik kommenden Arbeiter nachgedreht und siehe da, den besten Clip liefert Herr Sorrentino, der die Arbeiter wieder zurück in die Fabrik gehen lässt. Hoffen wir, dass er sich der politischen Aussage seines Clips bewusst ist.

Stillers Vingarne ist wie Michael von Carl Theodor Dreyer eine Verfilmung von Herman Bangs Mikaël und tatsächlich wirkt der Film, der leider nicht vollständig erhalten ist, ein wenig wie eine verknappte Version von Dreyers Film. Gleich zu Beginn, als der ältere Maler einen Vogel beobachtet, dringt kurzzeitig ein wenig von der beachtlichen Beobachtungsgabe und wankenden Assoziationskraft Stillers hindurch, ansonsten ist es ein solider Film auf dem gewohnt hohen Niveau des skandinavischen Kinos, der 1910er Jahre. Man treibt beständig zwischen Offenbarung und Entdeckung, Kuriosum und Klassiker in Bologna. Man kann davon nur schwer genug bekommen. Hinzu kommt die enorme Zerbrechlichkeit dieser Filme. Die Wichtigkeit des Zeigens, die Wichtigkeit des Überlebens. Ioana nennt die Filmrestaurateure „Ärzte der Kunst“ und dem kann ich mich nur anschließen. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass hier die viel wichtigere Arbeit gemacht wird, als bei den Filmemachern. Denn heute scheint mir das Problem weniger zu sein, dass keine Filme gemacht werden, sondern mehr, dass die richtigen nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient haben. Hier wird sortiert, was sonst verschwindet. Vor kurzem durfte ich an einem Gespräch mit Christoph Huber teilnehmen, der äußerte, dass er Film zu sehr liebe, um selbst Filme zu machen. Heute verstehe ich weshalb.

Poster - One-Eyed Jacks_07

Am Abend sitzen wir dann in Brandos One-Eyed Jacks, der uns bereits von Festivaldirektor Gian Luca Farinelli als ein Film mit der Potenz von Marlon Brando beschrieben wird. Es ist die einzige Regiearbeit des Schauspielers und Martin Scorsese trifft es ganz gut, wenn er vor dem film per Videobotschaft ankündigt, dass der Film auf halber Strecke zwischen dem klassischen Hollywood (in Bezug auf die Produktion) und New Hollywood (in Bezug auf die Emotionalität) liegt. Ansonsten ist der Film ein Spiegel für seinen Hauptdarsteller, der sich hier so gut aussehen lässt, dass man manchmal lachen muss.

Rainer sieht bereits unter Tags The Wild One mit Brando:

Marlon hat mich angelächelt. Ich habe zurückgelächelt. Es war einer dieser Momente, für die man ins Kino geht. Das Ende von The Wild One: Marlons Johnny verlässt das Café, will endlich aufbrechen und diese amerikanische Kleinstadt, wie sich vielleicht nur in Filmen existiert, hinter sich lassen. Ein letztes Mal dreht er sich in Richtung seines Sweethearts um – und lächelt. Aber er lächelt nicht sie an, sondern mich. Es ist ein schüchternes Lächeln, als wäre er sich bewusst, dass ihm Tausende entgegenblicken. Marlon ist wie Johnny ein Draufgänger, ein Alphamännchen, doch in diesem Moment öffnet er sich. Er sieht mich an und blickt mir direkt ins Herz und ich blicke zurück und verliere mich in seinen strahlenden Augen. Er sieht mich an, wie mich sonst nur wenige ansehen, es ist fast so wie mit Setsuko. Nach dem Film erzähle ich meiner Sitznachbarin davon, sie teilt meine Erfahrung nicht, hat Marlon unter den Tausenden und Abertausenden womöglich nur mich so angeblickt?

Möchtest du keinen Artikel mehr verpassen? Dann melde dich für den Newsletter an!

[mc4wp_form]

Pingbacks

  1. liberty cap mushroom grow kit
  2. บาคาร่า lsm99

Kommentar abgeben