Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Noch eine Woche Kinophantasie

In Österreich bleibt uns noch eine Woche, in der wir uns vorstellen können wie das Kino sein könnte. Dann wird es wieder mit seiner anstrengenden Gewöhnlichkeit, seiner lärmenden Beschränktheit über uns einbrechen. Es wird sich nichts verändert haben, schon gar nicht zum Guten. Die Filme werden keine anderen sein und trotzdem werden alle so tun, als wäre etwas Besonderes zurückgekehrt. Womöglich liegt darin auch ein Fünkchen Wahrheit. Aber trotzdem bleibt uns nur mehr eine Woche, von den Veränderungen zu träumen, die uns irgendwann versprochen wurden, die wir eigentlich selbst einleiten müssten.

Da das Kino seit jeher seinen eigenen Tod erfühlt, bleibt auch von der Dunkelheit der letzten Monate nichts Neues über. Vielleicht die Stille und die Flucht in andere Kanäle. Die Waren wurden billiger und lauter im Internet angeboten. Aber das ist schon lange so. Die eigentlichen Marktplätze blieben verweist und nur mit ihrer Phantasie zurück. Es ist auch eine Verblendung, keine Frage. Als hätte man das Kino beerdigt und alles vergessen, was es uns angetan hat. Von den Tränen der Angehörigen berührt, schweigen diejenigen am Grab, die es besser wüssten. Es wird nicht lange dauern und viele werden wieder begreifen, dass sie am Kinobetrieb nichts verloren haben. Das Bild des Kinogangs, das sich so stark in seiner Abwesenheit in uns aufbäumte, war nicht das, des Kinogangs vor der Pandemie; es war ein altes, bereits verlorenes Bild, womöglich aus unserer Kindheit oder früher, als es uns noch gar nicht gab.

Das Kino gehört jeder und jedem allein. Es ist dort, wo uns die Filme hinbringen und unsere Erinnerungen und alles, was wir uns vorstellen. Bestenfalls birgt ein geöffnetes Kino neue Erinnerungen und alte Filme. Ganz selten könnte auch ein neuer Film vorbeikommen, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch. Wenn es passiert, ist das ein Wunder. Wie im Kino.

Die Menschen, die wir so vermisst haben, werden um die Plätze streiten, sich anraunzen, wenn man ihnen die Sicht versperrt. Zwischendurch werden sie lächeln und lachen, sich erfreuen, aber auch das geht vorbei. Sie werden sich wieder anziehen, um einen Film zu sehen und die kleinen Rituale werden zurückkehren, die, die man erst wieder erlernen muss: die Zigarette vor dem Film, der in der Handfläche ruhende Kopf, die übereinandergeschlagenen Beine. Manche Rituale werden verpönt sein: das Schnäuzen zum Beispiel.

Also können wir noch eine Woche träumen, vielleicht eine der magischsten Wochen des Kinos. Eine Woche, in der wir nur die guten Gefühle mit dem Kino assoziieren, in der jeder Film, den wir noch nicht gesehen haben, unser Leben verändert. Eine Woche, in der wir gefordert und verzaubert werden. Wenn es dann mal losgegangen ist, können wir wieder schimpfen und darüber sprechen wie alles einmal besser war.

Das Schöne ist nur: wenn das Kino einmal läuft, dann ist es endlich jenen wieder egal, die sich sowieso nicht darum scheren. So kann man das Kino wenigstens genießen, wenn einem nicht die ganze Zeit zugeschrieen wird, wie wichtig es denn sei.