Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Conversa Acabada von João Botelho

Ein weiterer Versuch des portugiesischen Kinos, Worte in Bilder zu wandeln. Die Flüchtigkeit mit der Beständigkeit zu verwechseln, das Haus mit dem Garten. Das Debüt João Botelhos widmet sich in einer stilisierten Nachstellung dem Briefwechsel zweier wegweisender Lyriker des frühen 20. Jahrhunderts: Fernando Pessoa und Mário de Sá-Carneiro. Geprägt von ihrem jeweiligen Aufbegehren in die Moderne, ihrer Zusammenarbeit an den zwei Ausgaben der legendären Zeitschrift Orpheu und einer anhaltenden Phase der Depression, die schließlich im Selbstmord Sá-Carneiros gipfelte, entführen die unablässig gesprochenen Worte in ein Jenseits der Aufnahmen. Es ist nicht so, dass die Bilder illustrieren, was gesagt wird, vielmehr trachten sich danach, dem Akt des Schreibens einen schwer zu greifenden aber sich übertragenden Reiz der beherrschten (und einsamen) Innerlichkeit zu verleihen (die Schönheit von gut gekleideten Männer, die nachts an Tischen sitzen, rauchen und Zeilen auf ein einzelnes Stück Papier schreiben). Alles ist so gediegen, man wagt nicht mal, sich zu räuspern, während man den Film sieht. Lieber würde man leise ersticken. Man schämt sich ob der Sprache, die man sonst über die eigene Zunge kommen lässt. Man fragt sich, warum man keine Briefe schreibt, auf denen kein Staubkorn zwischen den Buchstaben Platz findet. Juliet Berto wirkt als Liebhaberin Sá-Carneiros wie ein Fremdkörper in diesem Film, fast scheint es so, als wäre sie die einzige am Set gewesen, die nicht eingeweiht wurde, dass Naturalismus nicht erwünscht sei. Ihr Spiel tönt zu lebendig, ihre Bewegungen sind zu rasch; aber genau durch diesen, ihren Schwung, wird die Verlorenheit ihres Partners noch sichtbarer und vielleicht auch das so betörende Selbstmitleid, in dem sich die Poeten suhlen, weil sie bereits spüren, im Angesicht einer katastrophalen Welt, im Schatten des Ersten Weltkriegs, dass sie sich anders nicht mehr in jene Höhen (und Tiefen) hieven können, die ihre Kunst von ihnen verlangt. Das Erhabene kommt dann aus dem verneinten Inneren, ein abstrakter Schmerz ersetzt den staunenden Blick vor der Welt. Das ist eine so befreiende wie fatale Bewegung und nimmt viel von dem vorweg, was die Literatur des vergangenen und auch des gegenwärtigen Jahrhunderts prägt. Die Worte kommen nicht mehr aus dem Ich heraus. Sie benennen immer die, die sie verwenden. Die Lyriker können nur bemerken, dass dem so ist und daran leiden. Botelho weiß, dass monochrome Farbfilter und vorgetragene Gedichte von dieser Welt berichten können, die es eigentlich nicht mehr gibt, die von sich behauptet, nur im Auge der Betrachtenden zu existieren. Der titelgebende, endende, abgebrochene Dialog ist nicht nur der zwischen zwei Lyrikern, es ist der zwischen Poesie und einer Wirklichkeit, an der niemand krankt.