Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notizen zu Peter Nestler: Das Bild der Juden in der christlichen Malerei und im geistlichen Drama

Text: Gary Vanisian 

Eine frap­pie­ren­de Eigen­schaft die­ser mit der Ver­ve eines Kunst­wis­sen­schaft­lers gestal­te­ten Arbeit Peter Nest­lers ist, dass sie so abrupt beginnt wie endet. Nach der Sich­tung be-schleicht einen das Gefühl, dass der Film schnel­ler war als die eige­ne Auf­merk­sam­keit, weil er es gar nicht erst dar­auf anlegt, leich­te, nach­voll­zieh­ba­re Über­gän­ge zu schaf­fen. Der Grund dafür ist sicher­lich, dass es sich – wie auch bei Zur Geschich­te der Juden in Frank­furt – um ein Auf­trags­werk für das Jüdi­schen Muse­um Frank­furt zu des­sen Eröff­nung am 9. Novem­ber 1988 han­delt. Es gibt einen Vor- und einen Abspann (der Ger­trud Koch und den dama­li­gen wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter des Jüdi­schen Muse­ums Micha­el Len­arz als Mitautor*innen auf­lis­tet), aber Aus­stel­lungs­fil­me kön­nen es sich erlau­ben, in medi­as res zu gehen und auf „Weich­hei­ten“ in der Film­struk­tur zu verzichten. 

Die Unter­su­chung beginnt mit der bedeu­ten­den Wand­ma­le­rei im Frank­fur­ter Kar­me­li­ter­klos­ter, die die Künst­ler Jörg Rat­geb von 1514 bis 1521 ange­fer­tigt hat­te. Nest­ler erwähnt die­ses Werk als ein Bei­spiel für eine christ­li­che Male­rei, in der sich eine expli­zi­te Juden­feind­lich­keit nicht durch­ge­setzt hat. Anders im Altar, den Hans Hol­bein der Älte­re für das Domi­ni­ka­ner­klos­ter in Frank­furt geschaf­fen hat­te, fast zeit­gleich, 15001501. Hier trat „der Anti­ju­da­is­mus deut­lich zuta­ge“, sagt Nest­lers Stim­me, und zeigt die für die­se Fest­stel­lung zen­tra­len Bild­mo­ti­ve: die Ver­trei­bung der Wechs­ler aus dem Tem­pel, den Judas­kuss, die For­de­rung der Juden nach dem Kreu­zi­gungs­tod Jesu, ein jüdi­sches Kind, das Jesus eine „Fica“, also eine obs­zö­ne Ges­te, zeigt, etc. 

Noch der­ber und feind­se­li­ger ein Frank­fur­ter Flug­blatt des 16. Jahr­hun­derts, über das die Kame­ra von Rai­ner Kom­ers lang­sam und uner­bitt­lich fährt: „Der Juden Bad­stub“ so der Titel: Zwei Juden, die einen Kauf­mann übers Ohr hau­en, der bei ihnen ein Bad nimmt. „Die Juden waschen ihre Sün­den aus – der Teu­fel fischt sie wie­der auf.“ 

„Ein wei­te­res Medi­um der Popu­la­ri­sie­rung juden­feind­li­cher Vor­ur­tei­le waren neben der sakra­len Male­rei und flie­gen­den Blät­tern Pas­si­ons­spie­le.“ Nest­ler unter­sucht das Frank­fur­ter Pas­si­ons­spiel, von dem ein Regie­buch von etwa 1350 und eine voll­stän­di­ge Text­fas­sung aus dem Jah­re 1493 erhal­ten sind, das also min­des­tens seit Mit­te des 14. Jahrhun-derts auf­ge­führt wurde.

Wort­zi­ta­te aus die­sem Pas­si­ons­spiel wer­den Nah­auf­nah­men des Domi­ni­ka­ne­ral­tars Hol­beins d.Ä. gegen­über­ge­stellt. Zu Zerr­bil­dern von Juden in Hol­beins Male­rei liest Nest­ler Tex­te wie: „Nun denn, lie­be Gesel­len gut,/wir wol­len nach der Juden Mut/​Jesus schla­gen um die Säule,/daß er sich sträubt wie eine Eule.“ „Du hast, törich­te Jüdisch­heit, einen Himm­li­schen durchstochen,/ich werd’s nicht las­sen ungerochen!“ 

Nest­ler resü­miert: „In die­sem Kli­ma wirk­ten sich die anti­jü­di­schen Ten­den­zen des Pas­si­ons­spiels mit sei­nem ganz unchrist­lich rach­süch­ti­gen Jesus und sei­nen sata­nisch ange­leg­ten jüdi­schen Figu­ren unge­bro­chen aus“. 

Der Film endet mit einer Auf­lis­tung der Sicher­heits­maß­nah­men, die der Rat der Stadt Frank­furt wäh­rend der Auf­füh­rung des Pas­si­ons­spiels an den Oster­ta­gen traf, um die jüdi­sche Bevöl­ke­rung zu schüt­zen. „Den Juden sagen, sie sol­len in die­ser Zeit zuhau­se blei­ben.“ Ver­stö­ren­de Nonchalance.