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„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notizen zu Peter Nestler: Spanien!

Text: Ron­ny Günl

Man kann wohl nicht von einer Bewun­de­rung spre­chen, die die­sen Film antreibt. Eher ist es die his­to­ri­sche Aner­ken­nung, die Peter Nest­ler den euro­päi­schen Kom­mu­nis­ten und ehe­ma­li­gen Inter­bri­ga­dis­ten zuteil­wer­den las­sen will. Zum Ent­ste­hungs­zeit­punkt des Films herrsch­te in Spa­ni­en nach wie vor das fran­cis­ti­sche Régime, galt damit als eine der letz­ten faschis­ti­schen Dik­ta­tu­ren Euro­pas und übte sich dar­in, sei­ner Des­po­tie einen demo­kra­ti­schen Anschein zu ver­lei­hen. In die Stim­me von Nest­lers ein­lei­ten­den Wor­ten mischt sich ein nüch­ter­ner wie betrau­ern­der Ton. Trotz aller Beschei­den­heit, die nach einer sach­li­chen Betrach­tung der Geschich­te klingt, bleibt die Invek­ti­ve gegen das Ver­ges­sen der Anti­fa­schis­ten in Spa­ni­en unmiss­ver­ständ­lich. Viel­leicht fragt man sich, woher sie ihre Über­zeu­gung bezo­gen, ihr Leben im Krieg zu ris­kie­ren. Die alten Män­ner, die Nest­ler filmt, befan­den sich damals in ihrer Jugend, waren Teil kom­mu­nis­ti­scher Orga­ni­sa­tio­nen und fan­den sich zusam­men, ohne an der Rich­tig­keit ihres Unter­neh­mens zu zwei­feln. Dies mag nach­träg­lich so klin­gen. Sicher­lich trug auch eine Spur Vol­un­t­a­ris­mus oder indi­vi­du­el­le Nai­vi­tät dazu bei. Nicht nur man­gel­te es an Erfah­run­gen oder Logis­tik, son­dern auch an Mate­ri­al. Ver­ge­bens ent­ge­gen­ge­bracht wur­de Idea­lis­mus, der das Schei­tern in eupho­ri­schen Momen­ten zurück­hal­ten konn­te. Selbst dann noch, wenn kei­ne Ret­tung mehr in Sicht schien. So als die schiff­brü­chi­gen, vom Tor­pe­do getrof­fe­nen Inter­bri­ga­dis­ten sich mit dem Sin­gen der Inter­na­tio­na­le über Was­ser hiel­ten. Die Anek­do­te hat über­lebt. Damit erzählt Nest­ler vor allem die Erin­ne­run­gen der Indi­vi­du­en, nicht die einer geschla­ge­nen Bewegung.

Am Beginn des Films ste­hen per­sön­li­che Foto­gra­fien, Post­kar­ten und Bil­der. Sie wer­den ins Bild gehal­ten wie Andenken. An ihnen hängt ein ritua­li­sier­ter Bezug zur Ver­gan­gen­heit. Das Gesche­hen und die Gewalt sind unter einer All­tags­de­cke ver­schwun­den – wäh­rend­des­sen Bil­der vom Umpflü­gen eines Fel­des. Wer in Spa­ni­en gekämpft hat, mag viel­leicht unter Kol­le­gen auf der Bau­stel­le bekannt sein, man sieht es aber nie­man­den durch das Tra­gen von Erken­nungs­zei­chen mehr an. Mit Aus­nah­me der Nar­ben. Hin­zu kom­men die doku­men­ta­ri­schen Archiv­bil­der des sowje­ti­schen Fil­me­ma­chers Roman Kar­men aus dem Film Gre­na­da, Gre­na­da, Gre­na­da moja. Sie ergän­zen das Gespro­che­ne und ver­mit­teln einen Ein­druck vom Enthu­si­as­mus jener Zeit, fra­gil rea­lis­tisch, irgend­wo zwi­schen Not und Not­wen­dig­keit. Nest­lers Film nimmt sich der Bil­der an, weni­ger zur Illus­tra­ti­on als zur Inter­ven­ti­on gegen ihre gro­be Sym­bol­kraft. Als Drit­tes kom­men Bil­der der ehe­ma­li­gen Kampf­schau­plät­ze. Die Kame­ra filmt in das Land, in die Land­schaft hin­ein, das Meer liegt dahin­ter. Dort, wo die Geschich­te von Hotels über­baut wird. Urlaubs­luft, unbe­stän­dig und unge­zwun­gen, stets erfri­schend. Dage­gen im Lan­des­in­ne­ren Rui­nen, die unbe­merkt ver­fal­len. In ihnen weht ein tro­cke­ner Wind. Viel­leicht gab es ihn schon immer, wie Ser­gio del Moli­no schreibt. »Seit 34 Jah­ren hat sich hier nichts ver­än­dert«, hält Nest­ler fest. Die Mau­ern könn­ten auch aus dem Mit­tel­al­ter stam­men. Ein Auf­ruf zur Soli­da­ri­tät am Ende des Films will zeit­los klin­gen, aber trotz­dem nicht mehr so wie vor fünf­zig Jah­ren. In der Zwi­schen­zeit ist auch die Ber­li­ner Mau­er gefal­len und damit der letz­te Rest eisern wie ver­zwei­felt gesetz­ter Hoff­nun­gen in den Kom­mu­nis­mus als Befrei­ung, die es in Spa­ni­en noch zu ver­tei­di­gen galt.