Moonlighting beginnt am Flughafen. Vier Polen landen in London Heathrow, nur einer von ihnen spricht Englisch. Er ist dafür verantwortlich alle vier durch Passkontrolle und Zoll zu schleusen, was ihm trotz einiger Aufregung reibungslos gelingt. Dreißig Tage lang gilt ihre Aufenthaltsgenehmigung, dreißig Tage bleiben den Vieren, um ihren illegalen Auftrag auszuführen, dreißig Tage folgt der Film dem Protagonisten Nowak (Jeremy Irons). Was wie ein Spionagethriller beginnt, entwickelt sich zu einer banalen, wie nervenaufreibenden Angelegenheit. Moonlighting ist ein Krimi des kleinen Mannes und trotz seinem vergleichbar geringen Bekanntheitsgrad ein exemplarisches Beispiel für das Kino des polnischen Filmemachers Jerzy Skolimowski.
Der erste Meilenstein in Skolimowski Karriere war das Drehbuch zu Roman Polanskis Nóż w wodzie, zugleich dessen Durchbruch als Regisseur. Es ist wohl nicht restlos zu klären, welche Ideen und Motive im Drehbuch auf Polanski und welche auf Skolimowski zurückzuführen sind, zweifellos findet sich aber bereits in Nóż w wodzie eine Form von Isolation der Figuren, die auch Skolimowskis Filme als Regisseur prägt. Die autobiographischen Figuren in Rysopis, Walkower und Bariera, die nicht so richtig wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, der rastlose Jean-Pierre Léaud in Le départ, der in seiner Sexualität verlorene Jugendliche in Deep End, die Schiffsbesatzung in The Lightship oder der entflohene Häftling in Essential Killing sind allesamt isolierte Individuen, die sich nicht in der Gesellschaft mit ihren Konventionen zurechtfinden. Sie sind oft getriebene Gestalten, die auf der Suche nach einer Bestimmung ziellos herumirren. Skolimowski hat ein Händchen dafür die triebhafte Energie seiner Energie filmisch zu verwerten, aber gleichzeitig ihre innerliche Marter aus- und darzustellen. Wohl in keinem seiner Filme gelingt es ihm besser, diese beiden Kräfte gegeneinander auszuspielen als in Moonlighting.
Zurück zur Anfangsszene am Flughafen: Recht krude setzt ein innerer Monolog ein, in dem Nowak den Grund seines Aufenthalts in London erklärt. Ein reicher Pole hat ihn und seine drei Landsmänner beauftragt ein Haus zu renovieren (die politische Situation in Polen Anfang der 80er droht zu kippen, das Haus in London soll als Refugium dienen). Diese Form der Beschäftigung ist freilich illegal, kommt dem gesichts- und namenlosen Auftraggeber dennoch billiger, als englische Arbeitskräfte anzustellen. Nowak fällt dabei eine Schlüsselrolle zu. Einerseits ist er der einzige der vier Polen, der sich in England verständigen kann, andererseits scheint er auch als einziger der Gruppe intellektuell fähig zu sein ein solches Bauvorhaben umzusetzen und den Überblick zu behalten. An dieser Konstellation ist er selbst nicht ganz unschuldig, hat er die anderen Arbeiter gerade deshalb ausgewählt, weil sie dumm seien, wie er in einer späteren Voice-over-Passage zugibt. Es gibt für das Publikum keine Möglichkeit diese Aussage zu überprüfen, denn mit den drei anderen Arbeitern beschäftigt sich der Film wenig. Nowak kommuniziert auf Polnisch mit ihnen, diese Gespräche sind bewusst nicht untertitelt, einzig die englische Gedankenstimme liefert verwertbare Informationen. Es mag wenig raffiniert erscheinen einen Film auf diese Art und Weise zu inszenieren: eine isolierte Figur in einem fremden Land, die nur wenig in Kontakt mit anderen tritt, aber in inneren Monologen sein Seelenleben ausbreitet. Das sei romanhaft möchte man einwenden und habe in einem Film nichts verloren, und tatsächlich dauert es eine Weile bis der Film in seiner eigentümlichen Inszenierungsstrategie Fahrt aufnimmt.
Lange Voice-over-Passagen dienen Filmemachern im Erzählkino oftmals als Cop-Out, wenn es ihnen nicht gelingt das Gefühlsleben einer Figur auf anderen Wegen zu vermitteln. Das ist hier nicht der Fall. Moonlighting funktioniert trotz, oder sogar wegen dieser ausgedehnten inneren Monologe. Es sind keine poetischen Schwärmereien eines Terrence Malick, keine ironischen Blödeleien eines Woody Allen, keine komplexen Kontrapunkte eines Chris Marker, es sind die nach innen gekehrten Gedanken eines Getriebenen, wie man sie bei Dostojewski oder Zweig findet. Getrieben ist Nowak deshalb, weil er auf Biegen und Brechen den Zeitplan einhalten muss, um innerhalb der dreißig Tage ihres Aufenthalts die Bauarbeiten abzuschließen; aber auch durch die Trennung von seiner Frau und der Ungewissheit über deren Verbleib; nicht zuletzt durch die Komplikationen, die sich durch die Ereignisse in der Heimat ergeben, denn der Winter 1981/82 ist ein einschneidender historischer Moment in der Geschichte Polens – der Aufstieg von Lech Wałęsas Solidarność-Bewegung bewirkt eine Verhängung des Kriegsrechts und eine Abschottung Polens gegenüber dem (westlichen) Ausland – Nowak verschweigt seinen Kollegen diese Entwicklungen. Dadurch ist er fortan mehrfach isoliert. Isoliert als Pole in einem fremden Land (in dem er illegalen Aktivitäten nachgeht) und isoliert als Pole unter Polen, da er sich den anderen nicht anvertrauen will, um den Arbeitsfortschritt nicht zu gefährden. Das gefährliche doppelte Spiel das er treibt – sein eigentliches Vorhaben vor der britischen Exekutive zu verbergen – wird also dadurch multipliziert, dass er seine Landsmänner von jeglicher Information über die Vorgänge in der Heimat fernhalten muss.
Sobald das Territorium abgesteckt ist, und sich das eng umgrenzte psychologische Gebiet abzeichnet, auf dem Nowak agiert, entpuppt sich der innere Monolog als genialer Regie-Coup. Die Welt wird allein durch die Figur des Nowak vermittelt – seine Begegnungen mit der englischen Bevölkerung, seine Konfrontationen mit den polnischen Bauarbeitern, sein Seelenleben. Er ist gleichsam exponiert und isoliert, riskiert Kopf und Kragen, wird zum Dieb, Lügner und Betrüger, zieht sich dabei aber immer weiter in sein Inneres zurück. Nowak kennt bald kein Außen mehr, alles dreht sich nur mehr ums Innen. Er kann sich mit niemanden austauschen und so bleibt nur der Versuch der inneren Rationalisierung. Der Film spiegelt diese Entwicklung, weicht Nowak nie von der Seite, die Geschichten der anderen Figuren interessieren ihn ebenso wenig, wie die Vorgänge in Polen, die nur in Bezug auf Nowaks Lage (als Nicht-Vermittler von Information) von Relevanz sind. Das auf den ersten Blick so plumpe Inszenierungsmittel macht das Innenleben der Figur erst erfahrbar. Es ist die totale Eliminierung des Außen, die Skolimowski in Moonlighting auf die Spitze treibt, noch mehr als in Essential Killing, wo die Bedrohung und Verfolgung immer real und personifiziert ist, wohingegen Nowak in erster Linie von seinen inneren Dämonen getrieben ist. Nowak kommt im gesamten Film nicht in direkten Konflikt mit dem Gesetz, trotz einiger Rückschläge schließt er sogar die Renovierungsarbeiten pünktlich ab, seine Kollegen erfahren bis zum Ende nichts von den Vorgängen in Polen, und dennoch ist die Atmosphäre stets angespannt. Die Inszenierung lässt keinen Raum für Entspannung, so wie Nowaks Londoner Leben keine Entspannung zulässt. Nowak führt einen Kampf mit seinem Gewissen, mit seinen Idealen und mit seinen Sorgen, Spannung entsteht überhaupt erst, weil es kein Ventil gibt, über dass er sich von dieser Spannung lösen könnte. Er ist allein und abgeschnitten und die Verantwortung erdrückt ihn förmlich. Moonlighting ist Skolimowskis Meisterstück im Umgang mit dem Motiv der Isolation, das seine ganze Karriere prägt.