Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Taubenblicke V

Verwechslung (nachts, vor der Haustür): Das Gequietsche einer Maus mit einem kleinen drehenden Plastikwindrad auf dem Fensterbrett des gegenüber stehenden Gebäudes

Verwechselung: Ein schwarzer, zitternder Klumpen am laublosen Ast des Schnurbaums, der durch einen plötzlichen Böllerknall zu einem wegfliegenden Vogelschwarm wird

Samstag, 2. Dezember, Tag des großen Schneefalls: Selbst die Erwachsenen werden zu Kindern und umgekehrt: Eine Mutter bewirft ihr Kind mit einem Schneeball, worauf das Kind sie anschreit: „Mama! Sei nicht so kindisch!“

Verwechslung (vor dem Fenster): Die auffliegenden, weiß gesprenkelten Tauben mit himmelwärts geblasenen Schneeflocken, die sich beim zweiten Blick als emporwehende Notizbuchseiten herausstellen (oder war es umgekehrt?)

Und wo vor ein paar Tagen das Plastikwindrad am Fenster stand, hängt jetzt eine Schlafdecke zum Trocknen; von ihren Enden tropft schmelzender Schnee auf die Köpfe der darunter gehenden Passanten

Im Halbschlafzustand: Ein leicht vernehmbares Krächzen, das sich im Wachsein als das Geräusch der organgekleideten Schneeschaufler unten im Park herausstellt, die mit ihren Geräten vergeblich versuchen, sich begehbare Wege zwischen den Schneemännern zu bahnen

Nochmal der 2. Dezember: Immer noch – und hoffentlich bleibt es auch so – versuchen auch die Erwachsenen im Park, die Schneeflocken mit ihren Zungen zu fangen, mit einer ernsthaften Beharrlichkeit, die oft nur bei Kindern zu sehen ist

Gleichzeitigkeit (am Fenster stehend): Im Kopfkino einen Sonntag im Park Anfang Juli abspielen, an dem das Öffnen der Bierdosen rundherum zu hören ist, während das Durchbrechen der überfrorenen Regenpfützen unter den Füßen der Gehenden ertönt

Und wo vor ein paar Tagen die Schlafdecke aus dem Fenster hing, ist jetzt nichts