Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Taubenblicke XII

Der stundenlange Sonnenuntergang im hohen Norden, als zögere der Himmel, sein Auge zu schließen (Takvedaholmen, Finnland)

Am Strand einer Insel sitzen mit Blick in das blaugrüne Meerwasser, auf dessen Oberfläche die Karpfen kleine Furchen ziehen; am Himmel die Seemöwen, die mit jeder ihrer Kurven den Raum erweitern oder eine neue Schrift erfinden; ein plötzlicher Wind, der einen Gummiball ins Wasser rollt und durch die Seiten eines offenen Buches blättert; der Hund, der eifrig im Sand gräbt, als suche er nach einem Schatz; der Anblick schwarzer Lederschuhe im Gras, die seit Tagen nicht getragen wurden und der rotbraunen Farbe des Holzbootes weit draußen auf dem See, und hinter mir ist das Lachen eines Kindes zu hören, als es zum ersten Mal schafft, alleine die Stiegen zur Veranda des Landhauses hinaufzusteigen (auch Finnland)

Auf der Nachbarinsel die Kinder, die morgens bis abends vom Steg ins Wasser springen, jedes Kind mit einem eigenen Schrei und einer eigenen Art zu springen, und in der langsam hereinbrechenden Dunkelheit werden sie zu alterslosen Umrissen

Im Traum niesen und im ersten Moment des Aufwachens steht eine Figur im Türrahmen des Zimmers und sagt: „Gesundheit“

Einem Freund aus der Kindheit, den man seit Jahrzehnten nicht gesehen hat, zufällig wiederbegegnen (auf der Straße, in einer Bar), und sich einander grüßen, als ob man sich ja immer sieht: „Na, alles gut?“

Fundstück: „AFFE GESUCHT! Am 11.10.2024 ist mir zwischen 11:30-11:45 Uhr mein Affe Claudi in der Hermanngasse aus der Hand gerutscht, als ich geschlafen habe. Wer ihn gefunden hat, meldet sich bitte bei meiner Mutter unter 0660/XXXXXXX. Sie bedeutet mir wirklich viel! Danke, ein kleiner Affenfreund“ (Hermanngasse/Seidengasse)

Überhörtes Gespräch zwischen zwei Straßenkehrern frühmorgens beim Aufheben des im Park verstreuten Mülls: „Manchmal sind die Menschen nicht gut“ – „Nein, die Menschen sind nie gut“

Anderes Wort für Herbst: Die Kastaniensammelzeit

Das Knistern der Laubblätter unter den Fußstapfen und die Vorfreude auf die ersten Schneeflocken

Auf der U6 zur Stoßzeit fahrend, wie die gelb-braun-roten Herbstfarben der vorbeiflitzenden Bäume entlang des Gürtels durch die Fenster hineinleuchten, ihre Laubschatten auf uns Passagiere werfen – unsere Gesichter, Hände, Haare – und den Wagen mit einem sanften, aufheiternden Licht füllen, als wollen sie, nach dem langen Arbeitstag, uns aus unserer Lebensmüdigkeit herausziehen