Frühlingswetterbericht: Heute wird Ihnen die Sonne beim Lesen auf einer Bank zum ersten Mal des Jahres die Hände wärmen (Sonntag, 2. März)
Während einer Wanderung im Wald die Ahnung eines bald hereinbrechenden Regenschauers durch das rasche Zunehmen der Schatten auf dem Boden und die Verdunkelung der Räume zwischen den Bäumen; das nervöse Zittern der Grashalme im Wind; die niedrig fliegenden Schwalben über einer Wiese; das plötzliche Lauter-Werden eines Hundegebells weit weg; die Verlangsamung der eigenen Fußschritte und die Erinnerung an einen Tagesausflug aus der Kindheit, als der Bruder während eines Sturms am Land durchnässt wurde und danach schwer erkrankte; dann fallen doch nur ein paar vereinzelte Tropfen auf die Arme, auf die Haare, bevor der Himmel sich wieder lichtet
Sogar im Wald hören die Wiener und Wienerinnen nicht auf zu jammern (und wenn sie endlich mal still sind, glotzen sie die Natur feindselig an)
Eine vor mir gehende alte Frau in einer roten Jacke, mit einem Spazierstock in der linken Hand, die immer wieder stehenbleibt, um zum Himmel schauen
Wolken – die verlässlichsten Lebensbegleiter
Die plötzliche Vorstellung, würde einer der Jugendlichen, die auf einem E-Scooter den Gehsteig alle Passanten missachtend entlangrasen, einen schweren Unfall haben, gelassen und unberührt an dem Verletzten vorbeigehen zu wollen und zugleich vor der sich einstellenden Freude darüber, würde dies tatsächlich passieren, zurückschrecken
Ein getrocknetes Lindenblatt zwischen den Seiten eines Notizbuches finden, mehrere Sommer alt, und im Kopf entwächst aus diesem Blatt der ganze Baum und zugleich die ganze Zeit zwischen damals und jetzt
Zwischen den Seiten eines vor Jahren gelesenen Buches eine Kinokarte für La Chienne vom 28. August 2015 finden und sofort die Sommerhitze dieses Tages wieder auf der Haut spüren, die Schweißperlen auf der Stirn, die Kühle des Kinosaals, Michel Simons kindlich-verzweifelt-traumverlorenes Gesicht
„Man kann nicht immer im Licht gehen“, unterwegs gelesen, und in dem Moment verdunkelt sich die Buchseite, als die Sonne hinter einer Wolke verschwindet
Im Garten eines Altersheims die vom Teich trinkenden Tauben und neben ihnen die Bier trinkenden Greise in ihren Rollstühlen
Das Kind schiebt seinen Kinderwagen im gleichen Tempo wie seine neben ihm gehende Großmutter ihren Rollator
Auch eine Geste kann wie ein Gedicht sein: das sanfte Legen einer Hand auf der Schulter
Endlich wieder eine Farbe – nach dem langen schneelosen Winter-Grau – zu der man sich hinunterbücken kann: das Gelb der Narzissen
Durch das trübe Fenster des seit zwei Jahren geschlossene Kindergartens sieht man immer noch die auf den Tischen verstreuten Puzzleteile; die aufgeklappten Kinderbücher auf dem Boden und daneben Spielzeugautos, Bagger und Hubschrauber; die mit Bastelzeug und Brettspielen gefüllten Kämmerchen; eine gegen einer Wand gelehnte Gitarre; einen auf einem Kleiderständer aufgehängter Regenmantel; die im Raum herumliegenden Stofftiere (Vögel, Hunde, Tiger, Hasen, Elefanten), als würden sie auf die vom Ausflug in den Park zurückkehrenden Kinder warten; Zeichnungen von Regenbögen, Häusern, Wiesen, Tieren; einen Kalender mit den durchkreuzten Tagen des Februars