Der Regen aus Akira Kurosawas “Rashomon” erscheint in dieser emotionalen Dürre, die sich zwischen Albert Camus’ „La Peste“ und einem Pop-Musical abspielt, wie ein harmloser Schauer. In „The Hole“ lässt Tsai Ming-liang abstrakte Ideen mit naturalistischer Bildsprache kollidieren. Da hängen dann Füße von der Decke, Männer kriechen in dunkle Löcher und zwischendurch gibt es wie auch in „The Wayward Cloud“ Musicaleinlagen.
Es geht um zwei Verbliebene in Zeiten einer Epidemie, dem sogenannten Taiwan Fever. Eigentlich hat die Regierung einen Evakuierungsbefehl ausgesprochen, aber ein Mann und eine Frau bleiben unbeeindruckt in ihren Wohnungen, die sich direkt übereinander befinden. Eines Tages inspiziert ein Handwerker die Wohnung des Mannes, um das Leck zu finden, das weite Teile des ganzen Hauses (wie man das so kennt von Tsai Ming-liang) überflutet. Dabei bohrt er ein kleines Loch in den Boden und verbindet dadurch die beiden Wohnungen. Lee Kang-shen, der den Mann spielt, ist fasziniert von diesem Loch. Er schaut hinein, übergibt sich darüber und drückt seine Zigarette darüber aus. Dadurch entsteht eine Beziehung.
Wie so oft im Oeuvre des Regisseurs findet diese Beziehung innerhalb einer räumlichen Konstellation statt, die den Raum mal als Distanz, mal als Nähe bestehen lässt. In „The Hole“ wagt er sich in einem abstrakten Symbolismus, der nicht immer eindeutig ist, aber doch auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden kann. Der gesellschaftliche Aspekt der Epidemie, die von Kakerlaken übertragen wird, wird durch die zeitliche Verortung des Films an der Jahrtausendwende verstärkt. Das Interesse von „The Hole“ gilt auch einer post-industriellen Hybridgesellschaft Taiwans. Das Taiwan Fever scheint fast ein psychologisches Problem zu sein. Menschen beginnen auf dem Boden zu kriechen und sich in dunklen Löchern zu verstecken, die Häuser zerfallen und die Überlebenden werden alleine in ihrer Einsamkeit gelassen.
In langen Einstellungen wird die städtische Wohnung zu einem Gefängnis. Der donnernde Regen verstärkt dieses Gefühl. Neben dem schwachen Licht, gibt es in „The Hole“ vor allem Dunkelheit. Die Neonlichter der Stadt erreichen hier keine der Figuren. Im Minimalismus öffnen sich-wie Tsai Ming-liang auch selbst gesagt hat-immer wieder Möglichkeiten für die Sensationen des Lebens. Sei es ein Lichtstrahl oder eine ungewöhnliche Bewegung, alles bekommt hier eine Bedeutung. Der Film fokussiert sich wieder auf die Existenz selbst: Schlafen, Essen, Toilette. Das ist das Terrain des Regisseurs, auf dem sich ein dramatisches Gefühl abspielt, das über die bloße Mechanik der Vorgänge hinausgeht. Hier, so scheint man uns zu sagen, sind wir.
Doch „The Hole“ ist in vielerlei Hinsicht ein versöhnlicher Film. Zum einen ist er auch eine Ode an die Songs von Grace Chang, die vor allem in den 1950er Jahren in Hongkong-Muscials große Beliebtheit in Asien erlangte. Wie ein kontrastierendes Element wird hier ein gewisser Kitsch in die stille Verlorenheit geworfen. Die Schauspieler gehen in den Nummern over-the-top, wenn auch nicht so übertrieben wie in „The Wayward Cloud“. Zum anderen steht am Ende so etwas wie eine Vereinigung, eine Berührung. Ausgerechnet aus einem Loch kommt also die Wärme.