Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Filmfest Hamburg Tag 2: Make-Down

Das Kino ist Teil der Make-Up-Indus­trie wie Jean-Luc Godard in sei­nen Histoire(s) du ciné­ma des Öfte­ren wie­der­holt. Die gro­ßen Stars, die Ver­wand­lung, das Auf­ge­mach­te, Auf­ge­kleb­te, Gelo­ge­ne. Das Kino ist ein Teil der Mas­ken­in­dus­trie. Der äußerst klei­ne rote Tep­pich in Ham­burg erzählt wenig davon. Meist ren­nen dort Kin­der über den Tep­pich und stel­len sich vor (make up) Stars zu sein. Dann gibt es Kris­ten Ste­wart hier. Laut dem Film Com­ment befin­den wir uns ja Im Zeit­al­ter der Kris­ten Ste­wart. Sie ist seit eini­ger Zeit nicht mehr Kris­ten Ste­wart, sie ist jetzt Kris­ten Ste­wart. Die­se Din­ge sind mög­lich in der Mas­ken­in­dus­trie. Oli­vi­er Assay­as, der ihr in Per­so­nal Shop­per drei Din­ge als Geschenk bringt, weiß darum:

Das ers­te Geschenk: Eine wirk­li­che Kino­sze­ne. Ein unor­dent­li­cher Film in jeder Hin­sicht, das ist irgend­wie schön. Auch ein Hor­ror­film, war­um nicht? Inmit­ten schwä­che­rer, irgend­wie müder Momen­te ein Bild, das bleibt. Kris­ten Ste­wart klei­det sich in frem­de, ver­bo­te­ne, teu­re Klei­der im Dres­sing Room ihrer Arbeit­ge­be­rin und dazu hören wir Mar­le­ne Diet­rich sin­gen. Die Kame­ra von Assay­as löst sich dann in ein Fahrt des Begeh­rens wie man sie von ihm frü­her kann­te. Es ist bezeich­nend, dass Ste­wart die­se Sze­ne in einem Moment bekommt, in dem sie sich ver­än­dert. In dem sie sich anders aus­se­hen lässt, eine Make-Up-Szene.Wie Mar­le­ne Diet­rich und das bestän­di­ge Licht, das ihr Von Stern­berg wie Make-Up in die Augen strahl­te, reflek­tier­te wie Diamanten.

personal-shopper

Das zwei­te Geschenk: Einen Selbst­fin­dungs­trip, der nicht nur dar­auf zielt, dass man spi­ri­tu­ell mit ande­ren Wel­ten (auch digi­ta­len Wel­ten) kom­mu­ni­ziert, son­dern – man ahnt es – dass man sich selbst auch neu erfin­det, auf­löst, zusam­men­setzt, in einer stän­di­gen Bewe­gung und Fluk­tua­ti­on, der unru­hi­ge Kör­per von Ste­wart, die unru­hi­ge Kame­ra von Assay­as, Tran­sit, Hek­tik, ein Tanz, der bestän­dig vor­gibt, etwas zu sein, was er nicht ist. Am Ende dann der Satz, den man in ande­ren Fil­men mit Ste­wart erwar­tet hät­te: Is it me or is it you? Ja, wer soll denn das noch wis­sen mit die­sen Stars und Assay­as-Frau­en? Make-Up your mind.

Das drit­te Geschenk: Hier liegt dann das Geheim­nis die­ser Make-Up-Indus­trie, denn die­se Ste­wart, die also das Mäd­chen von neben­an sein will (immer wie­der), die­se läs­si­ge, irgend­wie des­in­ter­es­sier­te Auf­ge­setzt­heit, der man die teu­ren Klei­der genau­so wenig abnimmt wie die lan­gen T‑Shirts, die­se Ste­wart, die also nicht Kris­ten Ste­wart sein will, ist trotz­dem Kris­ten Ste­wart. gemacht und her­ge­rich­tet und sie darf eine schie­re Unzahl läs­si­ger, irgend­wie des­in­ter­es­sier­te Pul­lis und Hem­den tra­gen mit einem Gesicht, das irgend­wie läs­sig geschminkt wird, einer Fri­sur, die per­fekt läs­sig hin­ge­rich­tet wird. Welch ein Geschenk, der Super­star als Per­so­nal Shop­per, als Assis­ten­tin wie schon in Clouds of Sils Maria. Ist ja irgend­wie doch wie wir alle, liest (größ­ten­teils Text­nach­rich­ten) und lang­weilt sich, ver­zwei­felt ein biss­chen und spielt eine Rol­le. Das ist dann wirk­lich Kino und Assay­as weiß dar­um und hat in Kris­ten Ste­wart, die nicht Kris­ten Ste­wart sein will die per­fek­te Muse gefunden.

Noch anschau­li­cher gibt es ähn­li­ches in Cer­tain Women von Kel­ly Rei­chardt. Dort ist das Make-Up auch ein Make-Down, denn die mar­kan­ten Augen­rin­ge von Ste­wart wer­den um ein viel­fa­ches ver­stärkt. Man schminkt sie nicht für den Gla­mour, son­dern für das Gegen­teil. Make-Up, Make-Down.